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Archiv-Artikel

die anderen über den in London vergifteten Kreml-Kritiker Litvinenko und die Verantwortung von Wladimir Putin

Die britische Financial Times schreibt: Putin ist im Jahr 2000 mit dem Versprechen an die Macht gekommen, wieder einen starken Staat zu schaffen, der sich an die Gesetze hält. Der Tod von Alexander Litvinenko und eine Menge anderer Morde legen die Vermutung nahe, dass Putins Russland wieder stark ist – aber weit von einer Herrschaft des Gesetzes entfernt. Die Liste der Verdächtigen reicht weit, von Geheimdienstlern über Geschäftsleute bis zu gewöhnlichen Banditen. Der Kreml weist jede Verstrickung zurück. Aber Putin kann sich nicht aus der Verantwortung dafür ziehen, dass er einen Staat geschaffen hat, in dem Mordanschläge zum Alltag gehören.

Die New York Times kommentiert: Es ist unbestritten, dass sich in Russland eine Kultur der Gesetzlosigkeit ausbreitet und Putin wenig tut, um sie aufzuhalten. Im Gegenteil: Er hat Russlands Demokratie geschwächt, indem er die Regierung mit Dunkelmännern aus dem Dunstkreis des alten KGB besetzt hat und Russlands tief sitzendes Misstrauen gegenüber der Außenwelt angefacht hat. Der Westen hat zwar keine Wahl und muss weiter mit Russland und Putin zusammenarbeiten. Aber sobald Kremlkritiker angegriffen oder ermordet werden, muss der Westen eine umfassende und transparente Ermittlung sowie eine Bestrafung der Kriminellen fordern – egal, wer diese sind.

Les Dernières Nouvelles d’Alsace schreiben: Wladimir Putin, der seine „Günstlinge“ hat, wird 2008 wahrscheinlich nicht mehr zur Wahl antreten. Wer wird ihm folgen und mit welchen Oligarchen? Der Hof des Zaren ist in panischer Angst. Die These des Komplotts, die Teil der russischen Mentalität ist, hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Doch Klarheit in diese verzwickte Situation zu bringen, ist unmöglich. Bleibt die Paranoia, die auch Teil der russischen Geschichte ist. Der Kremlchef ist immer dann sehr beliebt, wenn er von Feinden, wahren oder falschen, umgeben ist.

In Paris meint die Libération: Jene, die befürchtet haben, dass es nach dem Ende des Kalten Krieges für Autoren wie John Le Carré keine Inspirationsquellen mehr geben würde, sie haben sich getäuscht. Die Affäre Litvinenko beweist das Gegenteil. Alle Elemente eines Spionagekrimis sind da. Doch gibt es in dieser Affäre weder „Gute“ noch „Böse“, sondern einen russischen Postkommunismus, der sich durch üble Geschäftemachereien und politische Autorität auszeichnet. Die Ermittlungen müssen zu Ende geführt werden, auch wenn sie äußert schwierig sind. Denn nur so kann Europa vermeiden, zum Schlachtfeld russischer Clans zu werden, die sich gegenseitig bekämpfen. Außerdem könnten die Ermittlungen den wahren Charakter des Kremlchefs ans Tageslicht bringen.