die Wahrheit: Strauß mit Schlitzen
Chinesen kopieren schamlos Bayerns CSU. Gemessen an dem, was Horst Seehofer kürzlich bei einem Chinabesuch erlebte, sind die Enthüllungen von Wikileaks Petitessen.
Als Seehofer nämlich zufällig an der Parteizentrale einer "CSU" nahe Peking vorbeikam, brach in ihm eine Welt zusammen: Fern der Heimat schaute er auf ein Gebäude, das genau so aussah wie die CSU-Zentrale in der Münchner Lazarettstraße. Er sah kleinwüchsige Chinesen in Lederhosen durch die Gänge huschen, mit dem Laptop unter dem Arm. Bis hin zu den Hochglanzbroschüren mit dem Logo der CSU, der "Chinesisch Sozialen Union", fand Seehofer eine exakte Eins-zu-eins-Kopie seiner Partei. "Wenn ich in dem Moment eine Pistole gehabt hätte, hätte ich mich vor Enttäuschung erschossen", sagt der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende mit dem für ihn so typischen Schmunzeln.
Grund für das schamlose Plagiat der bayerischen Premiumpartei: Die chinesische Führung weiß, dass die internationale Staatengemeinschaft seit Langem Demokratie im Reich der Mitte fordert und sie sich im Zeitalter der Globalisierung nicht auf ewig dieser Forderung verschließen kann. Da traf es sich gut, dass die Bayern 2008 bei einem Besuch in China gerade ihre Success-Story vorgestellt hatten. Die chinesischen Gastgeber waren so begeistert, dass sie darangingen, Struktur und Inhalte der bayerischen Regierungspartei bis ins letzte Detail zu kopieren. Wie sie es aber schafften, ein chinesisches Franz-Josef-Strauß-Double aufzutreiben, das den charakteristischen Tonfall des legendären Bayernführers perfekt reproduzieren kann und in der Lage ist, historische Reden von FJS in verblüffendem Originalsound wiederzugeben, ist den geschockten CSU-Granden bis heute ein Rätsel.
Doch der Heißhunger der Chinesen nach Parteiennachschub ist noch lange nicht gestillt. Wollen sie ein funktionierendes Mehrparteiensystem aufbauen, ist es mit der CSU allein nicht getan. Und deshalb ist die CSU auch nur offiziell die einzige deutsche Partei, die jemals ausspioniert wurde. Denn während Seehofer mit seiner Geschichte nun durch die Talkshows tingelt, tun andere alles, um nicht an die Öffentlichkeit zu müssen. Zahlen belegen jedoch, dass es noch mehr politische Spionageopfer gibt. Eine neue Studie der Bonner Beratungsgesellschaft Interplan kommt zu dem Ergebnis, dass auch die FDP von chinesischer Politikspionage betroffen ist.
Auf chinesischen Parteiveranstaltungen wurden schon täuschend echte Kopien von Westerwelle und Brüderle gesichtet, die dem jubelnden Parteivolk in mitreißenden Reden die Segnungen des Neoliberalismus nahezubringen versuchten. Und mittlerweile warnt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz vor einer wachsenden Gefährdung der deutschen Parteien. "Bedroht sind alle, die einen innovativen Politikstil pflegen", sagt Armin Holtkamp von der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Demokratie (ASD), einer Initiative der großen Volksparteien. "Besonders gefährdet sind aber die Hidden Champions der deutschen Politszene."
Die meisten Angriffe auf den unerschöpflichen Ideenfundus deutscher Parteien werden aber nach wie vor nicht bekannt, sagt Holtkamp. Die betroffenen Parteien halten ihre Verdachtsfälle geheim. Sie befürchten, dass die Ideen, die von den in Urheberrechtsfragen relativ zwanglosen Chinesen abgekupfert wurden, womöglich in China schneller verwirklicht werden als in Deutschland. So wurde von Insidern berichtet, dass im Reich der Mitte ein Projekt wie die Rente mit 79, hierzulande nicht mehr als eine Vision konservativer Querdenker, schon bald Gesetzeskraft erlangen könnte.
Der Verlust für die Parteien entsteht dabei nicht unbedingt nur durch geklaute Gesetzesvorlagen und Reformvorhaben. Auch Sitzungsprotokolle oder vertrauliche Berichte sind begehrt. Die demokratieunerfahrenen Chinesen können schlichtweg alles gebrauchen, was ihren Bemühungen den Anstrich von Authentizität verleiht. So wurde beispielsweise im Oktober in der chinesischen Stadt Guangdong von der Ortsgruppe der Chinesisch Sozialen Union ein politischer Aschermittwoch in Szene gesetzt, der dem bayerischen Original in nichts nachstand. Einzig an der Intonierung des bayerischen Defiliermarsches könnte noch etwas gefeilt werden.
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