der wochenendkrimi : Mord im schwülen Bizarrtropicarium
„K3 – Kripo Hamburg: Ein anderer Mann“, So., 20.15 Uhr, ARD
Mnemosyne heißt das Medikament, für das in diesem Krimi gelogen und gemordet wird. Wie die Göttin aus dem Geschlecht der Titanen, die Zeus zur Muse machte. Nun möchte auch der Pharma-Unternehmer Johannes Wach (Axel Milberg) von eben dieser geküsst werden. Denn erst verschied auf brutale Weise die Ehefrau, dann verließ ihn sein Gedächtnis. Hat er gar selbst den Mord begangen? Um Sicherheit zu erlangen, lässt sich der Mann eine Tinktur spritzen, die die forschende Ehefrau vor ihrem Tod im gemeinsamen Labor angemischt hat – die aber noch nicht an Menschen ausprobiert worden ist. Es soll ein Wundermittel gegen Amnesie sein, das die Hirnforschung revolutioniert.
Klingt irre? Ist irre. „Ein anderer Mann“ (Regie: Marcus Weiler; Buch: Peter Petersen) ist einer dieser Krimis, für den die Macher mit einem B-Movie-Szenario aus der gemütlichen Wochenendkrimi-Routine auszubrechen versuchen. In etwa so wie letztes Jahr der bizarre RB-Tatort „Requiem“, in dem die Ermittlerin samt Tochter von einem Serienkiller im realen „Space Center Bremen“ gefangen gehalten wurde. Dieser Psychoschnickschnackschocker aus der „K3“-Reihe wurde nun zum Großteil in einem realen Hamburger Institut für Ethnopharmakologie gedreht, in dessen feuchtwarmen Gewächshäusern neben fleischfressenden Pflanzen samt ihren Nervengiften offensichtlich auch die gefährlichen Gelüste der Wissenschaftler prächtig zu sprießen scheinen.
Auf diese Weise ist „Ein anderer Mann“ ein kleiner, verrückter Neo-Film-noir geworden, der die üblichen Plausibilitätspraktiken des Fernsehkrimis ordentlich durchrüttelt. Der gewagte Plot geht auf ganzer Länge nicht auf, die Figuren wirken plakativ. Hirnforscher heißen hier Wach, Pathologinnen Graus, das sagt eine Menge. Aber in dem schwülen Bizarrtropicarium, das sich Ermittler Matthias Sander (Ulrich Pleitgen) und seinem Team auftut, gedeiht eben auch das eine oder andere Charaktergewächs: So verleiht Axel Milberg dem Mann ohne Gedächtnis, jenem klassischen Sinnsucher der schwarzen Serie, eine beachtliche psychologische Komplexität: Will der Witwer doch glauben, dass er seine geliebte Frau ermordet hat, weil er nach seinem Schuld-und-Sühne-Verständnis in diesem Fall per Suizid aus der sinnlos erscheinenden Welt scheiden dürfte.
Insgesamt ist die „K3“-Episode kein genialer Streich in Sachen Amnesiekrimi, ihre Chuzpe aber verlangt Respekt.
CHRISTIAN BUSS