der wochenendkrimi : Die Küchen-Bullen
„Tatort: Der Finger“, So., 20.15 Uhr, ARD
Der Junggeselle nimmt, was er kriegen kann. Als die Ermittler einen Tiefkühlkosthersteller aufsuchen, greift Carlo gleich zwei Tüten mit Werbegeschenken ab. Seine beiden Kollegen, die in der Vergangenheit ja schon den einen oder anderen Kochkurs besucht haben, unterstellen ihm ja sowieso die „kulturelle Froschperspektive“.
Es wird generell nirgendwo so viel übers Essen nachgedacht wie im Münchner „Tatort“ – was sich leicht als Kompensation fürs nicht vorhandene Beziehungsleben der drei Kommissare erklären lässt. Die graumelierten Singles bilden inzwischen so was wie die älteste Boygroup des deutschen Fernsehens, der man längst keine Frauengeschichten mehr andichtet, weil sonst die weiblichen Fans düpiert würden. Also schieben die Herren als Liebesersatz Semmeln, Spritzgebäck und Dubioseres in sich hinein.
In dieser Folge nun wird die Spannweite vom bayerischen Fress- und Schlingstadl bis zur „Nouvelle Cuisine“ ausgemessen: Es gibt Leberkäs Hawai und Hummersuppe mit Zitronengras, Mikrowellenhotdog und Bärlauchkalbsfleischbällchen, Capri-Stangeneis und Zander-Tartar.
Der kulinarische Aufstieg ist dem Umstand geschuldet, dass in einem Edelrestaurant ermittelt wird, dessen Besitzer Edgar Kaufmann (Helmut Berger) im Gegensatz zu den Kommissaren auch libidinös auf Entgrenzung setzt: Verheiratet ist er mit der französischen Geschäftsführerin, der Dessertköchin hat er ein Kind gemacht, mit dem einflussreichsten Gastro-Kritiker der Stadt unterhält er eine Affäre. Er kocht und vögelt also, wie es ihm gefällt. Doch das Durcheinander hat blutige Folgen: Irgendwann wird der Finger des Gastro-Kritikers gefunden, der Rest des Menschen bleibt verschwunden.
Carolin Otto (Buch) und Peter Fratzscher (Regie) verlieren sich nicht in irgendwelcher Gourmet-Seligkeit, verzahnen stattdessen kenntnisreich die Themenbereiche Forensik und Fleischzubereitung. Dabei platzieren sie zwar einige sehr nahe liegende Pointen, gleichzeitig wird darauf verzichtet die simpelste Möglichkeiten, die sich in einem Restaurant zur Beseitigung einer Leiche bietet, auszuspielen. Ein schöner Krimi, irgendwo zwischen dem Raffinement von Chabrols „Hühnchen in Essig“ und dem kulinarischen Pragmatismus eines Tim Mälzer. CHRISTIAN BUSS