piwik no script img

Archiv-Artikel

der stadtentwicklungsplan verkehr (teil 12) „Unfaire“ Verkehrspreise und unliebsame Folgen

Das Preisniveau für den Verkehr ist insgesamt zu niedrig

Mit dem Stadtentwicklungsplan (Step) Verkehr beginne ein „neues Verkehrszeitalter“, kündigte der Senat vollmundig vor einem Jahr an. Auf das Jahrzehnt der Restauration der Verkehrsinfrastruktur soll jetzt ein Jahrzehnt der „intelligenten Nutzung“ folgen. Experten, Planer und Kritiker diskutieren an dieser Stelle, immer freitags, über die Zukunft der Berliner Verkehrspolitik.

Im vergangenen Jahrzehnt gab Berlin rund 10 Prozent mehr für den Straßenbau und die Unterhaltung des Straßennetzes aus, als es durch Kfz- und Mineralölsteuer eingenommen hat. Der Internationale Rat für kommunale Umweltinitiativen (Iclei) wollte genauer wissen, wie viel die Gemeinden die Verkehrsinfrastruktur kostet und ermittelte die zum Teil versteckten Ausgaben von drei deutschen Großstädten für den Autoverkehr. Im Ergebnis lagen andernorts die Ausgaben vier- bis fünfmal über den Einnahmen.

Aber nicht nur Pkw-, Lkw- und Motorradfahrer zahlen weniger als ihr Fahren kostet. Ähnlich sieht es im Schiffsverkehr oder im Flugverkehr aus. Bei der Bahn ist das Bild geteilt. Im Schienengüterverkehr gibt es eine weit gehende Kostendeckung, im Personenverkehr hingegen kaum. Und der öffentliche Personennahverkehr wird sogar massiv subventioniert. So unterstützt das Land Berlin die BVG jährlich immer noch mit über 400 Millionen Euro.

Die Nutzer zahlen also kaum für Bau und Unterhalt der Verkehrswege. Die Lkw-Maut – wann immer sie kommt – wird das ein wenig ändern. Nicht aber vollständig, weil Kosten für Unfälle, Umwelt, Lärm, Gesundheitsschäden und Einbußen an Lebensqualität nicht in die Kalkulation für die Maut einbezogen werden. Diese Kosten werden weiterhin von der Allgemeinheit getragen. Daher heißen sie externe Kosten. Sie wirken wie eine Subvention. Da Bahn und Schiff umweltfreundlicher als Straßen- und Luftverkehr sind, liegen deren externe Kosten unter denen von Auto und Flugzeug. Das dient dann als Rechtfertigung für eine Subvention der benachteiligten Verkehrsträger Bahn und Schiff. Insgesamt ist das Preisniveau für den Verkehr aber zu niedrig, da nun alle Verkehrsträger mehr oder minder subventioniert werden.

Besser wäre es, wenn alle Subventionen wegfielen und alle Kosten auf die Nutzer verursachergerecht umgelegt würden. Die Preise für die Mobilität würden insgesamt steigen. Dies wäre zwar unbequem, hätte aber die umweltpolitisch wichtige Wirkung, dass wir uns überlegen würden, ob jede Reise wirklich nötig ist. Außerdem würden Bahn, Schiff und natürlich Rad- und Fußverkehr billiger und Kfz- und Flugverkehr teurer.

Eine allgemeine entfernungs- und schadstoffausstoßabhängige Maut im Straßenverkehr würde dann die Kfz- und Mineralölsteuer ersetzen. Im Bahn-, Schiffs- und Flugverkehr müsste analog vorgegangen werden. Die allgemeine Steuerbelastung könnte im Gegenzug sinken.

Die wichtigsten Hürden einer solchen Politik sind neben einem nicht besonders ausgeprägten Problembewusstsein in der Bevölkerung und den zahlreichen gegensteuernden Lobbyisten vor allem die Schwierigkeiten bei nationalen Alleingängen und die Ermittlung der externen Kosten selbst. EU-weite Regelungen sind zu bevorzugen.

Hier ist sogar einiges in Bewegung. Eine vollständige Zuordnung der Kosten ist derzeit nicht angestrebt. Der Einstieg in eine gerechtere Kostenzuordnung aber schon. Das ist die politische Maxime des Landes Berlin laut neuem Stadtentwicklungsplan Verkehr. Allerdings hat Berlin hier nur einen geringen eigenen Spielraum. Mit den begrenzten Haushaltsmitteln des Landes wird der Fahrradverkehr verstärkt gefördert, weil die externen Kosten besonders niedrig und der Mobilitätsbeitrag hoch ist. Außerdem empfiehlt der Step den Bezirken, die Parkraumbewirtschaftung auszuweiten, um zumindest dort das Nutzerprinzip stärker umzusetzen. Berlin wird auch alle entsprechenden Bundesaktivitäten unterstützen. Die Lkw-Maut kann nur der Anfang sein. Folgen muss die Ausweitung des Nutzerprinzips auf alle Verkehrsträger, im Güter-, wie im Personenverkehr.

HARALD KLUGE

Der Autor arbeitet im Team „Grundsatzangelegenheiten der Verkehrspolitik“ in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.