der stadtentwicklungsplan (teil II) : Planung ist gut, Realisierung besser
Der StEP ist gut, richtig und beispielhaft, aber wird er auch umgesetzt?
Mit dem StEP Verkehr beginne ein „neues Verkehrszeitalter“, kündigte der Senat vollmundig vor einem Jahr an. Auf ein Nachwendejahrzehnt der Restauration von Verkehrsinfrastruktur soll jetzt ein Jahrzehnt der „intelligenten Nutzung“ folgen. Experten, Planer und Kritiker diskutieren an dieser Stelle in den kommenden Wochen, immer freitags, über die Zukunft der Berliner Verkehrspolitik.
Im Vergleich zu anderen Metropolen verfügt Berlin über ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrssystem und ein dichtes Netz von Straßen und Fahrradwegen. Zudem kann es eine kompetente, engagierte Verkehrsverwaltung vorweisen, die mit dem in internationalen Fachkreisen gelobten Stadtentwicklungsplan Verkehr (StEP) ökologische und sozial nachhaltige Entwicklungspfade verfolgt.
Doch was bedeutet dieser Plan für die Zukunft Berlins? Möglicherweise bleibt das mit großem Aufwand geschriebene und gezeichnete Werk ein guter Plan – und wird nicht realisiert. Denn die faktische Entwicklung geht in eine andere Richtung.
Seit 1989 fahren bundesweit – auch in Berlin – immer mehr Menschen mit dem Auto – und immer weniger mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Steuerpolitische Instrumente wie die Entfernungspauschale, Eigenheimzulage und Strukturhilfefonds legen die Grundlagen dieser Entwicklung. Sie bewirken Suburbanisierung, Zersiedelung und die Ansiedlung von Gewerbeparks auf der grünen Wiese. Und am Rand der Stadt sind öffentliche Verkehrsmittel nicht konkurrenzfähig zum Auto. Wenn nun die Planer im StEP schreiben, dass sich Verkehr nicht losgelöst von der allgemeinen Stadtentwicklung planen lässt, ist dem nur zuzustimmen – aber der StEP kommt schlicht 15 Jahre zu spät.
Hinzu kommt, dass die Umsetzung des StEP wahrscheinlich im Räderwerk der Politik stecken bleibt. Angesichts der knappen Kassenlage bleiben der Landesregierung wenig Gestaltungschancen. Im Verteilungskampf um das knappe Geld drängen mächtige Interessenvertreter wie der ADAC auf die Priorität der Straßensanierung. Straßenbahnen und Fahrradwege sollen den Kürzeren ziehen. In Berlin wird 2006 wieder gewählt und Autofahrer-Populisten können den StEP schnell zur Makulatur werden lassen.
Wie einfach sich Politiker über ihre Verwaltung hinwegsetzen können, zeigte der damalige Hamburger Senator für Bau und Verkehr, Mario Mettbach, von der Schill-Partei. Er ignorierte den ebenfalls vorbildlichen Verkehrsentwicklungsplan der Hansestadt und schleifte Tempo-30-Zonen und Betonpoller, die Autofahrer vom Parken auf Rad- und Gehwegen abhalten sollten.
Der entscheidende Fehler des StEP ist, dass er keinerlei bindende Funktion hat. Das Abgeordnetenhaus hat ihn zur Kenntnis genommen. Eine Umsetzung ist damit aber nicht beschlossen worden. Somit ist nicht auszuschließen, dass der StEP als guter Plan bis auf weiteres in der Schublade verschwindet. Das wäre in der Verkehrspolitik leider nichts Neues.
Zudem verweist die Entstehung des StEP auf ein grundlegendes Defizit: Die Bürger, für die der Plan gemacht wurde, waren an seiner Entwicklung kaum beteiligt. Was sich offiziell „Interessenvertretung am Runden Tisch“ nennt, war lediglich die Befragung von so genannten Experten und dezidierten Lobbyisten. Wenn der StEP jetzt Gegenstand einer öffentlichen Debatte wird, geht es nicht mehr um bürgerschaftliche Einflussnahme, sondern um Bekanntmachung des Expertenwissens.
Dass es anders geht, zeigen die so genannten Bürgerhaushalte in brasilianischen Großkommunen, also die umfassende Beteiligung der Betroffenen. Selbst in Millionenstädten werden mittlerweile bis zu zehn Prozent der kommunalen Infrastrukturinvestitionen über direkte Verfahren vergeben. Ein großer Teil davon sind Verkehrsmaßnahmen.
Aber man muss gar nicht so weit blicken, um die Faktoren für die erfolgreiche Realisierung eines Plans benennen zu können.
Bei einer fachinternen Vorstellung im letzten Jahr verglichen Experten den StEP mit Planungen in anderen Städten, insbesondere dem immer wieder gern zitierten Positivbeispiel Zürich. Dort wird eine relativ hohe Integration von öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln, wie Fahrrad und Car-Sharing, von den Bürgern angenommen, weil sie zuvor über Mittelvergabe und Maßnahmen abstimmen konnten.
Direkte Demokratie, so die Schlussfolgerung, hat für die Beteiligten offensichtlich auch bindende Wirkung. Zumindest lässt sich im Großraum Zürich trotz hoher Autodichte eine größere Nutzungskennziffer des Umweltverbundes aus Fahrrad und öffentlichem Verkehr verzeichnen. Auch hohe Parkgebühren und Vorfahrt für die Straßenbahn treffen auf eine höhere Akzeptanz.
Bevor sich auch bei uns solche Verhältnisse im Verkehr einstellen, muss sich wohl zunächst das Demokratieverständnis wandeln. Angesichts allgemeiner Politikverdrossenheit nützt nämlich auch der beste Plan nichts, wenn die Bürger das Gefühl behalten, Verkehr sei ein individuell zu lösendes Problem. Da kann die Verwaltung noch so gute Handlungsempfehlungen produzieren: In einem solcherart „geschlossenen System“ wird der Stadtverkehr immer Spielball der ganz persönlichen ökonomischen Interessen bleiben.
MARTIN GEGNER
Der Autor ist Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).