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der rote faden Das System fickt uns alle, also ficken wir jetzt mal das System

durch die woche mit

Nina Apin

Diese Woche musste ich oft an Woody Allen denken. In einem seiner genialen frühen Filme – ich glaube, es war „Der Stadtneurotiker“ – sagt Annie Hall zum Protagonisten Alvy Singer: „Du benutzt diese Verschwörungstheorie als Entschuldigung, um nicht mit mir ins Bett gehen zu müssen.“

Topchecker

Gut, ein klein wenig hinkt dieser Vergleich – ging es in der Woche nach dem G20-Gipfel in Hamburg doch wenig um Sex (zumindest, wenn man nicht zu denen gehört, die von spritzenden Wasserwerfern und dem Geruch brennender Autoreifen erregt werden), sondern hauptsächlich um Gewalt. Die ganze Palette: Vandalismus, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Gewaltausübung im Amt. Aber man versucht ja, seine gute Laune zu behalten, wofür sich Woody Allen stets anbietet.

Zuerst also benutzten Leute, deren erklärtes Ziel es gewesen war, den „Herrschenden ihr G20-Treffen in Hamburg ansatzweise zu der Hölle zu machen, die sie zu verantworten haben“, das Gewaltförmige der kapitalistischen Weltordnung im Allgemeinen und die Gewalt des zum Gipfelschutz eingesetzten „Repressionsapparats“ im Speziellen als Rechtfertigung für ihre eigene Gewalt. Das System fickt uns alle, also ficken wir jetzt mal das System, würde ­Bushido vermutlich sagen, aber der hielt sich in dieser Woche ausnahmsweise mal zurück.

Stadtneurotiker

Dafür meldeten sich andere Chabos und Topchecker aus Zeiten zu Wort, in der linke Militante einmal tatsächlich „das System“ in Angst und Schrecken versetzt hatten. Etwa RAF-Veteran Karl-Heinz-Dellwo, der schon für zweifachen Mord in Tateinheit mit Geiselnahme verhaftet worden war, als ­Bushido noch nicht mal geboren war. Das war übrigens 1977 – als „Der Stadtneurotiker“ unter dem Originaltitel „Annie Hall“ in die US-amerikanischen Kinos kam, aber hierzulande alle mit dem „Deutschen Herbst“ beschäftigt waren. Dellwo, der heute im Schanzenviertel lebt und einen Kleinverlag leitet, schwadronierte auf Facebook von einem militärisch hochgerüsteten „Imperium“, das mit „gespenstischen wie futuristischen Maschinen“ und „seriell gesteuerten Truppen zum Losschlagen“ Demonstranten aufgelauert habe. Zur Erklärung für Nachgeborene: Der Typ meint Staat, Wasserwerfer und Polizisten.

Zum Ende der Woche kam dann der ominöse „Mescalero“ aus der Deckung, der zuletzt 1977 mit „klammheimlicher Freude“ angesichts der Buback-­Ermordung Furore machte – und wetterte in der taz gegen die „obszöne“ Uniformierung linksradikalen Protests. Dellwo solle „endlich die Klappe“ halten!

Militanzfrage

Linke zerfleischen sich über der Militanzfrage, ein echter Evergreen. „What’s New, Pussycat?“ Auch der Sound der Militanten, die jetzt Interventionistische Linke heißen, klingt wie in einer Zeitkapsel aus den späten Siebzigern konserviert.

Mitte der Woche erreichte das historische Reenactment einen TV-Höhepunkt, als das Stadtneurotikerpärchen Wolfgang Bosbach (CDU) und ­Diane Keaton alias Jutta Ditfurth (Grüne) bei Maischberger (Moderation) aufeinanderknallten. „Du benutzt die Demoverbotszone, um nicht mit mir ins Bett gehen …“, äh, nein. Körperliche Anziehung gab’s da keine, nur politische Feindschaft. Dass der Law-and-Order-Mann seine Differenzen mit der Grünen-Frau benutzte, um nicht über Polizeigewalt und undemokratischen Umgang mit legitimem Protest sprechen zu müssen, war allerdings durchaus offensichtlich.

Kafkaesk

Der Woody-Allen-Preisträger dieser Woche: Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz. Er erfand eine „neue Dimension der Gewalt“, die quasi wie eine Heimsuchung seine Stadt ereilt habe, und redete fast wie ein Rechtsaußen-CDUler von heldenhaften Polizisten und enthemmten Linksterroristen. Um zu verschleiern, was unter seiner Führung an den G20-Tagen falsch gelaufen ist? Natürlich auch. Aber vor allem, um weiter Bürgermeister bleiben zu dürfen, also gewissermaßen weiter mit den Hamburgern ins Bett gehen zu dürfen. Ob die das noch wollen, nach der vergangenen Woche? Oder sich die Ranschmeiße verbieten à la Annie Hall: „Olaf, Sex mit dir ist wirklich ein kafkaeskes Erlebnis.“

Jetzt reicht’s aber mal mit Woody Allen und G20, denken Sie? Recht haben Sie. Langsam könnte es im öffentlichen Diskurs mal wieder um was anderes gehen. Aber bitte nicht darum, was Donald Trump wieder gesagt hat (nämlich wie ein schmieriger Vorstadtcasanova zu Frankreichs First Lady Brigitte Macron, sie sei „hervorragend in Form“ und „wirklich schön“). Wen oder was Trump benutzt, um nicht mit Melania schlafen zu müssen, das ist mir wirklich egal.

Jetzt ist Wochenende.

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