der rote faden : Das C in BRD steht für „chillen“
durch die woche mit
Daniel Schulz
Endlich geht Deutschland effizient gegen eines der großen Übel unserer Zeit vor: die Arbeit. Bahir Barna, wohnhaft in Erkrath bei Mettmann in Nordrhein-Westfalen, hatte schon fast als Apotheker arbeiten dürfen. Der Papierkram ist erledigt, die Prüfung bald auch. Aber zum Glück fehlt ein Dokument aus Kabul. In der von deutschen Innenministern empfohlenen Relax-Location in Zentralasien werden sie den Wisch unter Cocktailschirmchen und Strandhandtüchern allerdings so schnell nicht finden. Herr Barna darf seitdem endlich wieder machen, wofür er hergekommen ist: nichts.
Deutschland muss Menschen wie Herrn Barna sehr schnell klarmachen, worauf es in diesem Land ankommt. Hängen Sie ab! Es gibt eine Pflicht zur Faulheit! Arbeit ist scheiße! Ihre Anarchistische Pogorepublik Deutschland.
Inzwischen hat sich die örtliche Zeitung des Falls von Herrn Barna angenommen, Menschen auf Facebook sind betroffen, und die Bären-Apotheke Erkrath schreibt, man solle bitte nicht glauben, ihr Kollege sei von Abschiebung bedroht. Warum eigentlich nicht?
Im Kampf gegen die Arbeit sind die Behörden in diesem Land doch sonst auch nicht zimperlich. Ob Klempnerlehrling in Kulmbach oder Friseur im Erzgebirge, wer nicht kapiert, dass das C in BRD für „chillen“ steht, der pinkelt auch aufs Grundgesetz.
Irgendwie hat niemand wirklich allen Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien und Kosovo richtig klargemacht, was wir von ihnen erwarten. Rumsitzen. Nichts tun. Und falls tatsächlich die Gefahr droht, man könnte sich nützlich machen, untertauchen. Wem dann allzu langweilig ist, der darf auch mal mit dem Lkw in Berlin rumfahren. Da drückt die Polizei gern beide Augen zu.
Wichtig ist allerdings, diese Grundsätze schon früh zu vermitteln. Bereits in der Ausbildung muss klargemacht werden: Arbeiten ist wider die deutsche Natur. Fleiß gehört nicht zu den republikanischen Grundwerten. Schweiß stinkt.
Ende Mai rückten also Polizisten mit Schlagstöcken und Hund in einer Berufsschule in Nürnberg an, um einen zwanzigjährigen Schüler nach Afghanistan abzuschieben. Das war richtig gedacht, aber schlecht gemacht. Die Beamten der Arbeitsverhinderungshundertschaft hatten nicht mit den renitenten arbeitswilligen Deutschen gerechnet, die ihren Gesinnungsgenossen verteidigten. Das muss beim nächsten Mal besser laufen. Mehr Leute. Mehr Autos. Und dann gleich alle zusammen ab zum Flughafen – ein paar Jahre ausspannen am Hindukusch.
Aber gut, die Bayern sind halt Anfänger. Die Profis sitzen in Sachsen. Und die setzen auf frühkindliche Bildung. Als „liebevoll“, „höflich“ und „nett“ beschreiben Schüler in Leipzig einen 18-Jährigen, der mit ihnen aufs Gymnasium geht. Der Mann kam vor mehr als zwei Jahren aus dem Kosovo und ist ein Streber. Deutsch gelernt in einem Jahr. Hilfsbereit. Beliebt. Sonnenklar, wohin solches Verhalten führt, oder? Integration. Ausbildung. Arbeit.
Aber offenbar erkennen nicht alle das Offensichtliche. Über 4.000 Menschen haben im Frühjahr eine Petition unterschrieben, damit der Arbeitsgefährder in Deutschland bleiben kann. Dabei haben Forscher diese Woche noch behauptet, die Menschen würden seit einem Jahrhundert immer schlauer. Nur ein Mann, der Vorsitzende der Schüler Union Leipzig, stellte sich der Fleißmafia entgegen: „Bei aller Sympathie für den Einzelfall ist doch klar: Der Asylantrag wurde rechtsstaatlich geprüft und abgelehnt.“
Zum Glück zeigen neue Umfragen eine steigende Beliebtheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel, also eine glasklare Bestätigung ihrer ablehnenden Haltung zu Tätigkeiten jedweder Art. Auch die Gammlergruppierung FDP wird wieder populärer. Von der Arbeiterpartei SPD und diesem kleinen Mann hingegen will kaum jemand mehr etwas wissen. Dazu passend veröffentlichte die Website „Visual Capitalist“ eine Grafik, die zeigt, welche Jobs durch Computer und Roboter verschwinden werden. Einzelhandelskaufmann ist ganz vorn, aber auch die Leute, die bei McDonald’s die Burger zusammenkloppen, dürfen bald zu Hause bleiben. Na ja, bald. Zehn oder zwanzig Jahre wird das schon noch dauern. Manche sagen auch, diese Nummer mit der Automatisierung sei nur erfunden.
Die goldene Zukunft mag bald kommen. Vielleicht kommt sie nie. Bis dahin gilt jedenfalls: Wer arbeitet, bedroht Deutschland. Und gehört deshalb nicht in dieses Land. Bei aller Sympathie für den Einzelfall natürlich.
Ausnahme: Deniz Yücel soll arbeiten. #FreeDeniz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen