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der rote faden Der Punk steckt im Schwaben und die Weltläufigkeit im Bauchnabel

durch die woche mit

Nina Apin

Eder und Pumuckl

Wie viel Punk steckt im Schwaben? Und: Wenn Winfried Kretschmann sich in seinem Wahlwerbespot als Meister Eder inszeniert – wer ist dann der Pumuckl? Koali­tions­partner Nils Schmid, der in Harmonie mit dem Meister zusammenlebt, aber sofort unsichtbar wird, sobald die Werkstatt-Tür aufgeht? Oder vielleicht doch Parteikollege Boris Palmer, der koboldhaft aus Tübingen dazwischenfunkt, wenn es dem grünen Landesherrn gerade gar nicht passt? Während ich mit der taz in der Hand baden-württembergische Befindlichkeiten erkunde, schabt der Schwabe in meiner Küche auf Omas Brett Spätzle ins Wasser. Wie tickt der Schwabe, frage ich ihn. „Du solltest dich eher fragen, wie Erdoğan tickt“, bruddelt er in seinen Sud hinein.

Am Morgen danach liegen die Spätzle schwer im Magen. Und alle reden von Erdoğan und seinem „überraschenden Vorstoß“ in Brüssel. In der Redaktion ist die Verwirrung darüber groß, was das nun ist: zynisches Geschacher mit hilflosen Menschen oder der erste vernünftige Vorschlag zum Thema überhaupt? Zu Hause gibt es Brote mit Salami und vegetarischem Butterschmalz aus dem Bioladen, quasi Schwarz-Grün am Küchentisch. Obwohl, was genau grün sein soll an dem Palmöl im Schmalztöpfchen …? Den Schwaben in meiner Küche interessiert Schwarz-Grün überhaupt nicht. Außerdem ist er schon wieder einen Schritt weiter: „Gearscht sind jetzt die Kurden, darüber solltest du mal nachdenken.“

Schinken und Käse

Zum Nachdenken ist am Mittwoch viel Zeit. Der ICE von Berlin nach Frankfurt wird dank eines Schienenbruchs ins Hinterland umgeleitet. Im Bordbistro hat der Kampf um die letzten Schinken-Käse-Baguettes begonnen. In der taz verteidigt Kretschmann Merkel und sagt staatsmännisch, dass es im Angesicht einer auseinanderbrechenden Europäischen Union unwichtig sei, wer in Baden-Württemberg Ministerpräsident werde. „Ach, hör doch auf mit deinem Europa“, mit diesen Worten schmeißt eine Frau ihrem Freund den Politikteil der Süddeutschen entgegen.

Radikal und unberechenbar

Im Stuttgarter Theaterhaus ist es Boris Palmer, der den pragmatischen Humanismus Kretschmanns verteidigt. „Wir können nicht alle aufnehmen!“ Buhrufe aus dem Publikum. „Was ist denn an überfüllten Turnhallen human?“, fragt Palmer zurück. Natürlich seien Kontingente besser statt ungesteuerte Schlauchbootmigration. Und was ist mit den Afghanen, will ich noch fragen. Da referiert Palmer bereits darüber, dass in seiner Stadt in den letzten Jahren die meisten Sozialwohnungen gebaut wurden. Sozialer Wohungsbau und Menschenrechte – das perfekte Stichwort für Palmers linken Gegenspieler Hannes Rockenbauch. Der schafft es, das Bekämpfen von Fluchtursachen, die Universalität von Menschenrechten und die Privatisierung von städtischem Wohneigentum in einem Satz zu verhandeln – einem sehr langen Satz – und beim Ausatmen noch kurz den Waffenhersteller Heckler & Koch zu streifen. „Wir brauchen eine Welt ohne Waffen“, schafft er noch zu rufen. Dann muss er Luft holen.

Die Uschi und die Moni

Purer Pragmatismus und purer Idealismus – und dazwischen drei Frauen von CDU, SPD und FDP, die offenbar wenig Lust auf den Podiums-Dreisatz „Formuliere provokant. Drängle dich vor. Bring alles unter, was du schon immer sagen wolltest“ haben. Und das Publikum? Radikal! Her mit der Vermögensteuer, her mit dem Geld für die UNHCR-Flüchtlingslager und immer her mit den Flüchtlingen. Sichere Herkunftsländer, nein danke! Ach ja: und – oben bleiben!

Die FDP-Frau sagt amüsiert: „Dass Sie von mir nix hören wollen, ist jetzt klar, aber ich sag’s trotzdem.“ Nach der Vorstellung lässt sie ihre hohen Pumps in der Handtasche verschwinden und zieht wieder Turnschuhe an. Entspannt und unberechenbar, diese Schwaben.

Während früh am nächsten Morgen das riesige Loch rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof am Zugfenster vorbeizieht, fängt die vierköpfige Damenrunde auf der anderen Seite des Gangs an, lautstark den ganzen Großraumwagen zu unterhalten. Ihr Thema sind nicht Flüchtlinge oder innerdeutsche Perspektiven. Sie denken gewissermaßen mit dem Bauchnabel. „Da will ich nach acht Jahren Bauchtanz mal was anderes versuchen. Und dann sagt die Moni, Flamenco kommt ihr nicht ins Studio, sie macht nur Orientalisch. Wie engstirnig ist das denn?!“ Auch die Spanier hätten doch eine stolze Kultur. Überhaupt: solle man nicht mal wieder dahin reisen? „Immer nur Türkei, Marokko, Ägypten. Mein Bauchnabel will auch mal was anderes sehen.“ Die Spanierin neben mir zischt: „Ich brauch jetzt ein Schinkenbrot! Oder von mir aus einen Leberkäse.“

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