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der rote faden Das war ich nicht. Das war schon vorher kaputt

durch die woche mit Meike Laaff

Es geht wieder los. Drei. Zwei. Eins. Verantwortungspolonaise. Nicht nur Merkels Handy, auch die Telefonverbindungen anderer Minister und Ministeriumsmitarbeiter hat die NSA angezapft. Ach so, und natürlich jede digitale Regung jedes Deutschen. Dann fassen sich jetzt bitte alle noch mal pflichtbewusst an den Schultern, und los geht’s: Das Kanzleramt beruft den US-Botschafter ein. Abhören unter Freunden, das geht natürlich noch immer gar nicht. Dann kommt irgendeine Wischiwaschiantwort aus den USA, dass das Handy des franzö…, äh, der deutschen Kanzlerin natürlich nicht ausgespäht wird. Und der Festnetzanschluss von einer ganz bestimmten Gruppe Ministerialbeamter zu einem eng begrenzten Zeitpunkt selbstverständlich auch nicht. Dann wird ein bisschen diplomatengetänzelt, und Schwamm drüber.

Merkels Handy

Selbst bei Obama ist zweifelhaft, ob er ausreichend Verfügungsmacht hat, um das Spitzeln des NSA im Ausland zu verbieten. Selbst wenn das in den USA diskutiert würde. Tatsächlich aber konzen­triert man sich, wenn überhaupt, dort darauf, das Abhören der eigenen Bevölkerung durch die NSA einzuhegen. Und überhaupt: So sind sie halt, die Geheimdienste. Weit befugt und vor allem geheim. Müssten die Deutschen doch wissen – das sind doch die mit dem Untersuchungsausschuss zur Geheimdienstaffäre, in dem es so viele Gedächtnislücken gibt wie nach einer Klassenfahrt nach Prag. Und in dem sich erst recht niemand outet, für irgendetwas zuständig zu sein.

Transatlantik

Wenn man aus den vergangenen Jahren eines gelernt hat, dann das: Wo kein Buhmann, da kaum Aufschrei. Auch Griechenlandkrise, Flüchtlingskatastrophe – leider, leider, wie eine Naturgewalt kommt das über uns. Im Fall NSA haben deutsche Politiker erlebt, dass sich die Aufregung der Bürger in Grenzen hält. Kein Thema, mit dem man Wahlen gewinnt. Weswegen die transatlantischen Beziehungen – Stichwort Ukraine und Russland – bislang immer schwerer wogen. An dieser Haltung wird wahrscheinlich auch das Abhören der Telefone von hochrangigen Wirtschafts­sherpas in deutschen Ministerien nichts ändern. Denn diese Enthüllungen geben zwar den Opfern von Überwachung ein Gesicht und illustrieren, was Spionage bedeutet. Aber hat das wirklich mehr Bums als das abgehörte Kanzlerinnenhandy? Und auch hier fehlt der Adressat für Kritik und Wut. Die „Five Eyes“-Geheimdienste fressen sich seit Jahren wie ein Virus durch die Grundrechte westlicher Demokratien – und entschlüpfen praktisch jedem Versuch, ihr Wirken einzugrenzen.

Facebook

Diese Freiheit von Verantwortung ist gerade im Trend. Im Europaparlament taucht ein Vorschlag auf, der jedes zweite Urlaubsselfie vor öffentlichen Gebäuden auf Facebook zu einem Urheberrechtsdelikt machen könnte? Huch! Nee, doch nicht. Keine Mehrheit im Parlament hat die Absicht, so etwas zu beschließen. Netz­neu­tra­li­tät? Ja, irgendwie schon, haben sich jetzt Parlament, Kommission und Rat in Brüssel geeinigt. Aber natürlich mit Ausnahmen. Nicht dass irgendein Geschäftsmodell nachher nicht floriert.

Volkswagen

Wir geben die Verantwortung lieber ab. Wenn etwas hinter der Datensammelwut von NSA bis Vorratsdatenspeicherung steht, dann die Idee, dass eine immer unübersichtlichere Welt mithilfe von ganz vielen Daten und Maschinen wieder übersichtlich wird. Dass Software Entscheidungen für uns trifft. Das Problem daran: Je mehr wir uns auf datengestützte Analysen verlassen, den Maschinen glauben, wer ein Terrorist ist, von wo Gefahren ausgehen – desto mehr verlieren wir die Kontrolle über sie. Und wer trägt dann die Verantwortung, wenn sie falsch liegen? Das sind längst keine abstrakten Fragen mehr. Haben Facebooks oder Googles Algorithmen einen Nutzer oder eine Website blockiert oder aussortiert, ist es als Individuum schwer, dagegen zu argumentieren. Oder auch nur herauszufinden, warum das passiert ist. Und wo ich dagegen vorgehen kann. Welche gravierenden Konsequenzen es haben kann, wenn Maschinen an uns heranrücken, zeigte diese Woche ein Unfall bei VW: Ein Montageroboter tötete einen Techniker in einem Werk bei Kassel. Wenn sich her­ausstellt, dass ein Funktionsfehler der ­Maschine schuld war – wer haftet dann dafür? Die Kon­strukteure der Maschine? Der Konzern? Die Programmierer des Codes, der die Maschine steuert? Keiner von ihnen so richtig. Spätestens jetzt, wo in Kalifornien erste selbst fahrende Autos auf Highways unterwegs sind, müssen wir versuchen, Antworten zu finden. Aus Angst vor nicht abzuschätzenden, desaströsen Folgen auf neue Technologie zu verzichten, wie manche es gern fordern, ist keine Lösung.

Denn damit drückt man sich ebenso, Verantwortung zu übernehmen. Und ängstigt sich zurück in die Steinzeit. So unbefriedigend das auch ist: Wir müssen die Antwort dazwischen finden.

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