der rechte rand : Verräter belasten „Volksfront“-Pläne
Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.
Die Parteiaustritte der drei sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Mirko Schmidt, Klaus Baier und Jürgen Schön kurz vor Weihnachten haben auch die norddeutsche Szene von NPD und „Freien Kameradschaften“ verstimmt. Dabei richtete sich der Unmut nicht allein gegen die sächsischen „Verräter“, die mit einem „Judaslohn“ abgeworben worden seien. Die Parteiführung um Udo Voigt und Holger Apfel geriet ebenfalls in die Schusslinie, hatte Voigt doch einen Tag vor Heiligabend schon vorauseilend von einer „operativen Maßnahme der Geheimdienste“ gesprochen, die dazu führen solle, „dass wir alle mit gegenseitigen Anschuldigungen über uns herfallen“. Am selben Tag hatten die Freien Kameradschaften prompt erklärt, dass „nicht wenige“ für einen Teil der Motive der Aussteiger Verständnis hätten.
Die Ausstiege befeuern die schwelende Debatte um die „Volksfront“ aus NPD, Freien Kameradschaften und DVU. Die Chancen des „nationalen Parlamentarismus“ werden dabei mal wieder unterschiedlich bewertet. So verkündete das „Aktionsbüro Norddeutschland“ um Tobias Thiessen, dass „rechte Oppositionsparteien“ sich zwangsläufig von ihren Grundsätzen trennen müssten, um nicht als „grundgesetzwidrig“ zu erscheinen. Die Folgerung: Allein eine außerparlamentarische Organisation wie die Freien Kameradschaften könne „szenische Strukturen dauerhaft etablieren“. Dennoch könnten „nationale Parteien“ unterstützt werden, solange „lästige Vereinnahmungsversuche“ unterblieben.
Genau dies ist der Fall in Niedersachsen, wo die Dominanzbestrebungen des NPD-Landeschefs Ulrich Eigenfeld derzeit die Szene spalten. Mit einem Redeverbot auf NPD-Veranstaltungen hat die Partei Dieter Riefling belegt. Als zu „radikal“ dürfte der Aktivist der Freien Kameradschaften der Führung aufstoßen, die sich gerne moderat gibt. Prompt folgte ein Solidaritätsaufruf. „Die NPD Niedersachsen braucht uns – aber wir nicht die NPD Niedersachsen“, erklärten nicht nur die Freien Kameradschaften, sondern auch die „Jungen Nationaldemokraten“ und fordern die Aufhebung des Redeverbots für Dieter Riefling. Sonst, so die Drohung, würde jegliche Unterstützung eingestellt.
In Bremen versuchen NPD-Mitglieder derweil, sich der Linie der autoritären Bundesführung zu entziehen. In dem Landesverband, dem Horst Görmann vorsteht, betreiben Voigt-Kritiker das Internetprojekt „bremerforum“. Bei den Wahlkampfüberlegungen dort wird die „Deutsche Volksunion“ (DVU) nicht erwähnt, dabei sollte die nach den „Volksfront“-Absprachen der Parteiführung kandidieren.
Auf Kuschelkurs mit der Bundeslinie sind dagegen NPD und Freie Kameradschaften in Schleswig-Holstein. Die Landespartei, angeführt von Uwe Schäfer, stellte den Tagesbefehl ihres Bundesvorsitzenden ins Internet, trotz der Ausstiege „geschlossener zusammenzustehen als je zuvor“. Auch in Hamburg ist die NPD nach der Wahl von Anja Zysk zur Landeschefin voll auf Volksfront-Linie und will noch enger mit den Freien Kameradschaften zusammengehen. Mit regelmäßigen Aktionen in den Hamburger Stadtteilen soll das Konzept des „bürgernahen Nationalismus zum Anfassen“ weiter ausgebaut werden.
Ein „gutbürgerliches Image“ streben NPD und Freie Kameradschaften auch in Mecklenburg-Vorpommern an, wo NPD-Landeschef Stefan Köster und Kameradschaftsführer Thomas Wulff, der zugleich NPD-Bundessekretär ist, für die Basisarbeit in den Städten und Gemeinden werben. Nach eigenen Angaben traten vor Weihnachten über 20 Kameradschaftler der Partei bei. Nahe Ludwigslust und Rostock feierten sie gemeinsam die Wintersonnenwende. Offen loben die militanten Neonazis der Freien Kameradschaften die Eintritte. Erwarten sie doch, dass ihre Kameraden im kommenden Jahr mit der NPD in den Schweriner Landtag ziehen. Andreas Speit