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Archiv-Artikel

der persönliche gemüse-check von EUGEN EGNER

Auf dem Heimweg vom Wochenmarkt fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, Zwiebeln zu kaufen. Glücklicherweise musste ich nicht mit den schweren Taschen kehrtmachen, denn auf meinem Weg kam ich noch bei einem Obst- und Gemüseladen vorbei, wo ich das Versäumte nachholen konnte. Üblicherweise betrete ich diesen Laden nie, weil dort die Preise überhöht sind und das Personal miserable Manieren hat. Diesmal jedoch musste ich eine Ausnahme machen. Es ging ja nur um ein paar Zwiebeln, das würde ich schon überstehen.

„Nur Zwiebeln?“, fragte der Inhaber vorwurfsvoll. „Wollen Sie nicht noch was?“ – „Sie sind doch Schriftsteller, nicht?“, mischte sich seine Frau ein. Unangenehm berührt, murmelte ich etwas Ausweichend-Zustimmendes. „Ich erzähl Ihnen mal mein Leben“, keifte sie, „wenn Sie daraus ein Buch machen, können Sie sich mehr kaufen als nur Zwiebeln, Sie arme Sau!“ Man möge mich verachten und ich verachtete mich selbst dafür, dass ich nicht ohne Ware hinaus und zum Wochenmarkt zurückging.

Mehr als einen Monat später erhielt ich einen Brief, dessen Absender zu meiner maßlosen Überraschung jener unselige Lebensmittelhändler war. Nicht, wie er meine Adresse herausbekommen haben mochte, fragte ich mich, sondern was er mir wohl schriftlich mitzuteilen habe. Waren das etwa die Memoiren seiner Frau? Der Umschlag enthielt zwei bedruckte Blätter.

Auf dem ersten stand unter der Überschrift „Ihre Erfahrungen mit dem persönlichen Gemüse-Check“: „Vor ein paar Wochen haben Sie in unserer Niederlassung Ihren persönlichen Gemüse-Check durchführen lassen. Im Zusammenhang damit liegen uns einige Fragen am Herzen: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem persönlichen Gemüse-Check? Und wie haben Sie das Gespräch empfunden, insbesondere auch im Vergleich zu früheren Beratungsgesprächen? Besser als Sie kann uns niemand sagen, inwieweit wir die Wünsche und Erwartungen unserer Kunden erfüllen! Deshalb bitten wir Sie, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen und den beiliegenden Fragebogen auszufüllen. Ihre Antworten helfen uns, unsere Leistungen und Angebote Ihren Vorstellungen entsprechend zu gestalten. Bitte senden sie den fertigen Fragebogen bald an uns zurück. Sie können ihn auch in unserer Niederlassung abgeben.“ Es folgte noch Dank für meine Unterstützung und die übliche Grußformel.

Das zweite Blatt war der angekündigte Fragebogen. Als Erstes wollte man wissen: „Wie hat Ihnen das Gemüse-Check-Gespräch ganz allgemein gefallen?“ Darauf sollte ich mit einer Note zwischen eins und sechs antworten. Ebenso verhielt es sich mit Punkt zwei: „Wie beurteilen Sie die Fachkompetenz der Beraterin/des Beraters?“ Die dritte Frage lautete: „Inwieweit sind beim Gemüse-Check Ihre heutige persönliche Situation und Ihre Ziele und Wünsche (auch sexuelle) für die Zukunft berücksichtigt worden?“ Zuletzt ging es dann um Details: „Wenn Sie noch einmal an das Gespräch insgesamt denken: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?“ Für meine Antwort hatte man mir drei Zeilen eingeräumt, dann folgte die letzte Frage: „Und was nicht so gut?“ Hier stand lediglich eine einzige Zeile zur Verfügung.