der kommentar : Schuld und Sühne
Flick-Flack gegen Flick-Kunst: Ein Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung
Sonja H. aus Berlin-Spandau ist vielleicht gar nicht so „irre“, wie es ihr von der Bild-Zeitung nach dem Flick-Flack-Attentat auf die Flick-Collection unterstellt wird: Mit den Mitteln des Kunstturnens hatte die psychisch kranke Frau exekutiert, was ohnehin unterschwellig im Raum steht, zumindest in den Feuilletons: Die Flick-Kunstsammlung ist etwas Böses, sie ist mit Schuld befleckt, man darf sie eigentlich nicht zeigen. Sonja H. hat sie mit einem beherzten Sprung zerbröselt, die böse Kunst: Die Exponate „graffiti truck“ (1973) und „office baroque“ (1977) des US-Künstlers Gordon Matta Clark sind nun in ihrem Wert gemindert. Prima, denn schließlich wurde Friedrich Christian Flick vorgeworfen, dass er mit Hilfe der Berliner Ausstellung den Wert seiner Sammlung steigern wolle.
Sonja H. soll zudem nach dem geglückten Attentat geschrien haben: „Flick, ich vergebe dir!“ Damit ist sie neben Gerhard Schröder die Einzige, nur dass dieser im Gegensatz zu ihr dafür nicht in die Nervenheilanstalt eingewiesen wird, sondern weiter im Kanzleramt sitzt, in Fußweite des Hamburger Bahnhofs. Schröder leidet eben nicht unter Wahnvorstellungen, die sich um Schuld und Sühne drehen – wie so oft bei psychisch Kranken.
MoMA war gestern, ein Event für Menschen, die sowieso gerade am Potsdamer Platz waren, um sich ein Musical anzuschauen. Flick-Collection ist heute: Zum einen handelt es sich um eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst, zum anderen lässt sich auf dem Rücken ihrer Exponate Vergangenheit bewältigen: Mal an Dieter und Björn Roths „Gartenskulptur“ treten oder auf Martin Kippenbergers „Medusa“ husten – ein zugleich wertmindernder und entlastender Effekt: Flick verzeihen und damit gleich sich selbst, denn „in Deutschland ist der Holocaust eine Familiengeschichte“ (Raul Hilberg). MRE