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Archiv-Artikel

der käse gewinnt immer von RALF SOTSCHECK

Käse kann Katastrophen auslösen. Das weiß man, seit Asterix und Obelix auf Korsika waren und ein lokaler Weichkäse das Piratenschiff vor der Küste durch eine Explosion versenkte. Aber Knochenbrüche? Das passiert nur Engländern.

In Gloucestershire, der englischen Käsegrafschaft, gibt es „eine absolut lächerliche 200 Jahre alte Tradition“, wie der Guardian gehässig anmerkte: Erwachsene Menschen rennen hinter einem Käse her, der eine 200 Meter lange äußerst steile Straße hinunterrollt, ohne ihn jemals zu fangen, denn er ist schneller. Die Jagd auf den Käse ist ein Massensport. Am vorvergangenen Wochenende lockte das Spektakel 4.000 Zuschauer an.

Es gewann der 18-jährige Chris Anderson, der seinen Sieg mit einem lädierten Knöchel bezahlte. Man legte ihm den Preis, einen acht Pfund schweren Gloucester-Käse, auf die Trage. Er will das Ungetüm nicht essen, sondern in den Trophäenschrank stellen. Der ist hoffentlich geruchsdicht. Bei den Frauen gewann Dionne Carter aus Neuseeland. Sie stürzte kopfüber ins Ziel – blutüberströmt, aber glücklich.

Die Organisatoren waren auch glücklich. Es habe viel weniger Verletzte gegeben, als er erwartet habe, sagte Jim Jones vom Käsekomitee: Zwei Knöchelbrüche, ein zertrümmerter Arm und ein paar Dutzend Platzwunden, so die Bilanz. Da hat es schlimmere Jahre gegeben, ein paar Käsejäger endeten im Rollstuhl.

Nichts ist so verrückt, dass es nicht noch eine Steigerung gäbe. Beim Guardian haben sich Veganer darüber beschwert, dass sie von dem halsbrecherischen Treiben ausgeschlossen sind. Yvonne Taylor von der Tierschutzorganisation Peta fordete, den Kuhkäse durch eine pflanzliche Alternative zu ersetzen. Das darf nicht wahr sein. Durch einen Sack Müsli vielleicht oder eine Mammut-Tofukugel?

Für Veganer ist der Sommer ein Albtraum. Kaum wird es auf der Insel etwas wärmer, erwachen nicht nur die Exzentriker aus ihrem Winterschlaf, sondern auch die Grillfanatiker – also praktisch jeder englische Mann. Keine Nation äschert mehr Fleisch ein als die Engländer. Jedes Wochenende versengen sie bis zu 44 Millionen Würstchen, dazu jeweils eine halbe Million Steaks und Hamburger. Der Geruch von verbranntem Fleisch zieht dann wegen des Südwinds bis nach Schottland.

Möglicherweise war die Grillwolke schuld daran, dass sich auch nördlich der Grenze englische Schrullen breit machen. Zwar kullern die Schotten keine Lebensmittel die Straße hinunter und auch keine Whiskyfässer, was eigentlich schade ist, aber in Duddingston, einem Vorort von Edinburgh, fand jeder Einwohner im Briefkasten einen Umschlag mit der Aufschrift: „Glauben Sie an Engel?“ Die meisten hielten das für die Werbeaktion einer Sekte und warfen den Umschlag ungeöffnet in den Müll. Das war ein Fehler.

Er enthielt Bargeld: Scheine im Wert von 5, 10 und 20 Pfund, insgesamt bis zu 70 Pfund. Duddingston rätselt nun, wer dahinter steckt. Ein Sprecher der Polizei sagte, man sei über die Tat informiert, könne aber nicht ermitteln, weil es keine offizielle Anzeige gegeben habe. Wer sollte sich auch beschweren? Höchstens ein Veganer, weil die Gummierung der Geldbriefe Gelatine enthält.