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der homosexuelle mann ...

von ELMAR KRAUSHAAR

... ist immer wieder das Opfer von bösen Vorurteilen. „Du“, plauderte unlängst ein Hetero, „du schaust gar nicht so schwul aus!“ – „Pass auf, Schätzchen“, schmetterte meine FreundIn Steffi neben mir zurück, „ein Tritt in deine Weichteile und deine Heterosexualität ist auch nicht mehr vom Feinsten.“

Noch gibt es keine Alternative: Um die gröbsten Schnitzer aus dem heterosexuellen Kollektivgedächtnis zu tilgen, müssen Homosexuelle immer wieder selbst in die Bütt steigen und widersprechen. „Schwule und Lesben sind nicht klassisch links“, korrigierte der schwule Bundestagsabgeordnete und Rechtssprecher der Grünen, Volker Beck, in einem Zeitungsinterview die Mär von den Subversiven und Perversen. Mit Blick auf das geplante Gesetz zur Homo-Ehe, das auch den Bundesrat passieren muss, versuchte Beck damit für sich und sein Vorhaben bei der Opposition zu punkten. Tatsächlich sind die Zeiten vorbei, diese Aussage ernsthaft zu bezweifeln – Beck steht dafür –, aber sich und seine schwule Basis derart an den rechten Hals zu schmeißen, bestätigt nur ein anderes Vorurteil: Der Schwule geht noch jedem an die Wäsche, und sei sie auch noch so schmutzig.

Denn wie es um die christliche Meinung in der Homosexuellenfrage bestellt ist, demonstriert eine „Wurfsendung“ aus dem Westfälischen: „NEIN zur Homosexualität“, steht darauf ganz groß, und „Homosexualität ist keine Liebe!“. Die Liste der Beweise ist lang: Homosexualität sei Verführung und Neurose, und Homos seien nichts weiter als infantile Persönlichkeiten und Sklaven einer pervertierten Sex-Sucht, Homobeziehungen steckten voller Eifersucht, Depression und Selbstmordgefahr, 94 Prozent aller Homo-Ehen würden innerhalb eines Jahres scheitern, und: „Alle Studien seit 1860 (!) bestätigen eine dramatisch verkürzte Lebensdauer von Homosexuellen.“ Deshalb: „Homosexualität ist kein Menschenrecht!“

(Wenn Sie diese Meinung teilen, lassen Sie es die Verfasser von der „Christlichen Mitte“ in 59531 Lippstadt, Postfach 2168, Fax: 0 25 23-61 38 wissen, und bitten Sie um Gratis-Zusendungen, damit dieses Flugblatt weiter unter die Leute kommt.)

Da weiß man gar nicht, welche Äußerungen schmählicher sind: die der durchgeknallten Fundamentalisten oder jene eines Grünen-Politikers, der eigentlich nicht mehr tut, als seinen Fraktionskollegen „in Regierungsverantwortung“ nachzueifern. Aber wir paradieren wieder in diesen Wochen, gegen Vorurteile, mit Schrappkopp, Tittenpiercing und Muskelbergen: Für „unsere Vielfalt“ – so lautet das CSD-Motto in diesem Jahr in Berlin. Nicht, dass wir wirkliche Vielfalt präsentieren würden, die hat es schwer im schwulen Alltag im schwulen Ghetto, von außen vor ganz zu schweigen. Aber wir wissen, was wir den Schaulustigen schuldig sind und den Fotografen. Verrückt und bunt halt. Wir zeigen den Menschen, was sie sehen wollen. Denn an diesem einen Tag im Jahr dürfen wir so schwul aussehen, wie wir wollen, und keiner kann uns mehr locken mit falschen Komplimenten. Nur ein Vorurteil bleibt: Der homosexuelle Mann ist eine Null im Schlagballweitwurf. Probieren Sie’s aus.

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