der homosexuelle mann . . .:
von ELMAR KRAUSHAAR
. . . macht sich schuldig, mannigfach. Als Folge seines Tuns „entstehen nicht selten allgemeine Abzehrung, Schwindsucht und Wassersucht“, schreibt schon 1832 der Arzt Adolph Henke. Kein Geringerer als Adolf Hitler erweitert großzügig das Sündenregister. „Die Homosexualität hat das alte Griechenland zugrunde gerichtet.“ Und die Bonner Republik distanziert sich nicht von derlei Einsichten: „Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat“, erklärt eine Bundestagsdrucksache vom 4. 10. 1962, „war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kräfte die Folge.“
Wir sind ein paar Jahrzehnte weiter, das homosexuelle Böse hat sein Gesicht gewandelt. Nach den Anschlägen vom 11. September macht der erzkonservative Fernsehprediger Jerry Falwell in der Sendung „The 700 Club“ die Schuldigen für das Drama ausfindig: „Feministinnen, Ungläubige, Abtreiber, Schwule und Lesben“, und: „Ich zeige auf euch und sage: ‚Ihr habt es möglich gemacht.‘ “ Schützenhilfe bekommt der Verrückte aus dem idyllischen Salzburg. In einer Trauerfeier für die Opfer von New York und Washington diagnostiziert der Erzbischof Georg Eder „die Erst-Ursachen dieser Weltkatastrophe“: Angefangen habe alles mit der künstlichen Geburtenregelung, der nächste Schritt sei die Abtreibung gewesen, und es folgte schließlich „die politisch gesteuerte Bewegung der unfruchtbaren Homo-Ehe“. „Gott wird herausgefordert“, so Eder: „Und es folgt die Strafe.“
Die Antwort der „community“ ist eindeutig: Auch „wir“ gehören zu den Opfern! Eiligst stellen schwule Medien Listen zusammen, in denen die homosexuellen Opfer der Anschläge aufgeführt werden, unter ihnen Daniel Brandhorst und Ronald Gamboa mit ihrem dreijährigen Adoptivsohn David, dann David Charlebois, der Kopilot jener Maschine, die in das Pentagon stürzte, und der New Yorker Pater Mychal Judge, der bei den ersten Aufräumarbeiten getötet wurde.
Besonders hervorgehoben wird der 31-jährige Mark Bingham aus San Francisco. Er war an Bord des Flugzeugs, das nahe Pittsburgh abstürzte. Bingham soll zu den Männern gehört haben, die noch kurz vor dem Absturz versuchten, die Flugzeug-Entführer zu überwältigen. „Ein Held, ein Held“, jubeln jetzt die Medien der schwulen Gemeinde, ihre Sehnsucht danach – Falwell und Konsorten sei Dank – ist groß. „Wir brauchen solche Helden“, sagt die Anwältin Elizabeth Schwartz, denn „Schwule haben keine Möglichkeit, Helden zu sein beim Militär, und wir dürfen auch kein Blut spenden.“ Der Menschenrechtsaktivist Gary Knight packt noch eins drauf: „Jetzt wird für alle deutlich, was Lesben und Schwule schon immer wussten: Wir unterscheiden uns nicht von allen anderen patriotischen Amerikanern.“ Da will selbst George Bush nicht zurückstehen: Die „Don’t ask, don’t tell“-Regelung, wonach Lesben und Schwule, die ihre Homosexualität nicht verheimlichen, aus dem Militärdienst entlassen wurden, ist vorübergehend ausgesetzt, schließlich wird derzeit jede tapfere Hand gebraucht. Egal ob homo oder hetero.
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