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Archiv-Artikel

der große public-value-test (9) Heute: Der komische Kanal

Was dürfen öffentlich-rechtliche Sender im Internet? Am 23. Oktober werden Spielregeln festgeklopft. Bis dahin fragen wir: Wie steht es um den sog. Public Value der Sender? Und NEU: Was würde Marcel Reich-Ranicki sagen?

Name: Sat.1

Alter: 24

Sitz: erst in Ludwigshafen, dann in Mainz, jetzt: Berlin

Chefs: Matthias Alberti, Torsten Rossmann

Gehört zu: ProSiebenSat.1 Media

Information: 11,5

Unterhaltung: 38,1

Marktanteil: 9,6 (2007)

Programm-Highlights: Sie lieben preisgekrönte Fernsehdramen mit historischem Hintergrund und Heino Ferch schwitzend in der Hauptrolle? Willkommen bei Sat.1. Der Sender hat mit dramatischen Zweiteilern wie „Das Wunder von Lengede“ oder „Der Tunnel“ vorgemacht, wie gutes Popcorn-TV funktioniert, „powered by emotion“ eben. Und vor ein paar Jahren konnte man bei Sat.1 auch Nachrichten schauen, als Anchorman Thomas Kausch dem ZDF „Ciao!“ sagte und ins Private wechselte. Aber das ist her, Kausch wurde mittlerweile wieder geschasst. Was noch? Klar: „Die Wochenshow“. Damit löste Sat.1 Ende der Neunziger die Comedy-Welle aus und surft seitdem drauf. Konsequenz: ziemlich komischer Kanal. Siehe Tiefpunkte.

Tiefpunkte: Harald Schmidts Rückzug Ende 2003, als Haim Saban die Sendergruppe übernahm. Danach ging’s bergab – auch mit Schmidt. Außerdem: viel zu viele Gerichtsshows, viel zu viel Comedy. Und natürlich Dokusoaps wie der Sozialfahnder-Schwachsinn „Gnadenlos gerecht“. Fazit: Gnadenlos schlecht. Das zeigen auch die Quoten. Dummerweise. Darbt der Sender doch ohnehin unter der Finanzkrise des Mutterhauses.

Typisch bei Sat.1.de: Auf der Startseite vor allem Horoskope, Rezepte, Gewinnspiele und Omas Einschlafmitteltipps. Also alles, wo sich Sat.1-Zuschauer gerne und viel durchklicken. Deshalb auch keine Nachrichten. Ergo: nichts für MRR.

Public Value: Wenn Comedy, Skandal-Aufdeck-Shows und Kai Pflaume dem Allgemeinwohl dienen: wahnsinnige Relevanz. Also: niedrige Relevanz. Obwohl – da ist ja noch Heino Ferch.

Marcel Reich-Ranickis Bilanz: Trivial. Säähr trivial! Kuckt nur nachts: „10 vor 11“ oder „Prime-Time/Spätausgabe“, wenn Alexander Kluge Schauspieler Peter Berling eine Gasmaske überstülpt und schön zähe Gespräche führt. Besser als Baldrian.