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Archiv-Artikel

denkmal-diskussion Gezeter im Hörsaal

Dienstagabend, 18 Uhr. Hörsaal D im Henry-Ford-Bau. Der AStA der FU hat zur Podiumsdiskussion geladen. Es sind die 15 Tonnen Bronze, die in Sichtweite zum Debattier-Ort thronen, die hier zur Diskussion stehen. Laut Präsidium ein Denkmal für Erststudenten der Uni, die in den 50er-Jahren sowjetischen Militärtribunalen zum Opfer fielen. Laut AStA ein „antikommunistisches“ Marketing-Massiv des Präsidenten (taz berichtete).

In den Reihen sitzen die üblichen Verdächtigen: Der AStA-Clan, Freunde des AStAs, Freunde der Freunde. Aber auch einige graubehaarte Altsemester. Vorne holt der AStA zum Rundumschlag gegen die „unmögliche“ Geschichtspolitik des FU-Präsidiums aus. Links daneben geißelt der hauseigene Geschichtsprofessor Wolfgang Wippermann die Verstrickungen einiger mit dem Denkmal Gedachter in der „terroristischen“ und „antikommunistischen“ Geheimclique „Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit“.

Martin Schönfeld vom Berufsverband bildender Künstler scherzt über eine Empfehlung des künstlerischen Beirats des Senats. Bevor die Skulptur bei der FU landete, wollte sie der Künstler Volker Bartsch am Hauptbahnhof postieren. Der Beirat lehnte ab und schlug eine Grünfläche in Rudow für das Werk vor. Der Hörsaal johlt. Man ist sich einig: Das Denkmal taugt nichts.

Der, der widersprechen müsste, sagt nichts. FU-Präsident Dieter Lenzen ist erst gar nicht der Einladung zur Diskussion gefolgt. So ist es Lutz Utrecht, der sich aus den Reihen erhebt. Beschämend einseitig sei die Veranstaltung. Die geehrten Opfer würden aufgrund mangelnder Recherche verunglimpft – fast alle seien heute rehabilitiert. „Sie sind eine Schande für die FU“, poltert der alte Mann gen Professor Wippermann. Die Studentenriege raunt, der geschmähte Historiker schnaubt: „Das reicht. So was lass ich mir nicht gefallen.“

Lutz Utrecht ist der Bruder von Wolf Utrecht, einer der zehn erinnerten Opfer. 1953 wurde der FU-Student in Irkutsk wegen eines Spionagevorwurfs hingerichtet. Es wird kurz ruhig im Hörsaal. Dann wirft Utrecht Wippermann erneut „Verleitung der jungen Leute“ und „Schwachsinn“ vor. Und die Reihen zetern wieder.

„Das Denkmal hat keine Aussage, provoziert keine Fragen“, resümiert Wippermann. Das ist zumindest an diesem Abend falsch. Spekuliert und gestritten wird trefflich. Auch und gerade weil der frisch gekürte Elite-Präsident zu seinem Denkmal nichts Richtungsweisendes zu sagen hat. Das steht einfach draußen im Nieselregen. KONRAD LITSCHKO