debatte: Eine bessere Welt ist möglich
Man muss es nur wollen – und die vielen Ideen für Gerechtigkeit tatsächlich umsetzen. Die kommenden Generationen werden es danken
Philosophen wollen in der Regel den Menschen simple Prinzipien näherbringen: Wir sind alle Menschen, egal wo wir leben, alle haben die gleichen Rechte. Und zukünftige Menschen haben diese Rechte auch, eine Welt, in der Wohlergehen für viele herrscht, ist besser als eine Welt voller Leid. Das sind minimale Erkenntnisse und sie machen das Menschsein aus. Wird dies verneint, stellt man sich jenseits von Humanität und Aufklärung.
Vor Kurzem noch, etwa 2019 bis 2021, wähnte man sich auf der Erfolgsspur: Der damalige US-Präsident Donald Trump war weg, Europa beschloss einen Green Deal, in Deutschland übernahm die Ampel. Die Menschen schienen verstanden zu haben, dass die Klimakrise eine unleugbare Realität ist, die das Wohlergehen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen ruiniert, dass wir uns anstrengen müssen, die Welt endlich besser zu machen. Das wäre auch gar nicht schwierig, es kostet uns nur ein paar Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. Aber der Groschen ist frustrierenderweise doch nicht gefallen. Heute, nachdem unser weltoffenes Gelaber durch genau ein Heizungsgesetz weggespült worden ist, rudert die Mehrheit wieder zurück. Wie blöd kann man in Deutschland sein, die Hampelmänner von der AfD zu wählen? Die Partei unterläuft das Prinzip, dass Menschen die gleichen Rechte haben, mit rassistischen Ressentiments. Sie unterläuft auch das Prinzip, dass die Zukunft zählt, indem sie sich auf die absurde Seite der Klimaleugner schlägt. Nebenbei zerschlägt sie auch den letzten Grundsatz der Menschheit, denn die AfD verursacht eine Welt voller Leid.
Wir liberalen und sozial eingestellten Menschen strecken hingegen die Waffen. Unsere Waffe gegen die Klimakrise, der Green Deal, also das grüne Wirtschaftswachstum, wird angesichts einer rechts auslegenden EU und infolge einer Trump-Neuauflage zurückgedreht. Auf den anderen Feldern sieht es nicht besser aus: Krieg und Leid, wo man hinschaut, gleiche Rechte verkommen zum Witz. Der Rechtsruck geschieht beispielsweise in Deutschland zu Zeiten, in denen sich die 30- bis 59-Jährigen besser gestellt fühlen als vor fünf Jahren. Es geht beim Rechtsextremen primär um diffuse Ängste und Überforderungen angesichts zahlreicher Krisen, weniger um massive Benachteiligungen. Aber die Augen zu verschließen und „Deutschland den Deutschen“ und „nach mir die Sintflut“ als Handlungsmaxime auszugeben, macht es nur schlimmer. Auf Dauer wird die ignorierte (Klima-)Wirklichkeit zurückschlagen. „Klimaschutz ist abgewählt“ lauten die Schlagzeilen – aber seit wann kümmert der sich um Wahlen? Bei allem Verständnis für Wähler in Notlage: was derzeit geschieht, ist schlicht nicht zu rechtfertigen. Trumps Wiederwahl und das weltweite Abdriften der Politik ins Unseriöse kann man auch als Votum gegen diese Art von Demokratie sehen.
Hierzulande kritisierte man zur Zeit der vergangenen Dreierkoalition nie die Wählerinnen und Wähler, sondern immer nur „die Ampel“. Man machte sie für alles verantwortlich, was schieflief, und vergaß, dass „die Ampel“ Entscheidendes geschafft hatte: unter anderem die Unabhängigkeit von russischem Gas, mehr Strom aus erneuerbaren Energien, das Deutschlandticket, die Krankenhausreform, schnellere Einbürgerungen, das Selbstbestimmungsgesetz, den Mindestlohn … Klar, die Ampel hätte es besser machen können, ohne die FDP wäre alles leichter gewesen. Aber warum mussten die Wählerinnen und Wähler auch gleichzeitig für Bremse und Gaspedal stimmen? Unter diesen Vorzeichen ist der Ampel am Ende erstaunlich viel gelungen. Zwar mit teilweise schlechtem Handwerk und viel unnötigem Getöse, da sich die Parteien einzeln zu profilieren versuchten. Als Fazit bleibt: Wenn nach den dreieinhalb Ampeljahren das CDU-Gehampel mit Charakterkopf Friedrich Merz fortgesetzt wird, hat die Ampel nicht nur ökologische Punkte gemacht und Genehmigungsverfahren für Großprojekte beschleunigt und eben auch die Migration fast so weit zurückgefahren, dass sich die „Zurückweisung an deutschen Grenzen“ fast zur Symbolpolitik gewandelt hat. Die Ampel hat das Bürgergeld eingeführt und eine Wahlrechtsreform durchgesetzt. Und so weiter, und so weiter.
Die nächsten Jahre werden mit Stillstand und dem Ausbau der Autobahnen vergehen, in einer Welt, in der die wenigen Errungenschaften der Aufklärung mit Füßen getreten werden. Eine Welt, die dem Klimawandel geweiht ist. Eine Welt, in der Männer wie Trump und der rechtsnationale ungarische Präsident Viktor Orbán regieren und AfD-Politiker Ministerpräsidenten werden können. Korruption, sich spaltende Fraktionen, Dilettantismus, wohin man schaut. Die Wählerinnen und Wähler werden enttäuscht, indem Spitzenkandidaten „Deutschland zuerst“ propagieren und das mit russischem und chinesischem Geld finanzieren wollen. Damit zeigt die AfD, dass ihr Deutschland egal ist, solange die Kasse stimmt. Es ist, als würde sie öffentlich bekennen, dass ihr Politik schnurzpiepegal ist, während die Abgeordneten abends beim Bier über ihre Wähler lachen – und die Scheine zählen. Aber Stimmen kostet sie das nicht.
Es wird endlich Zeit, über mögliche Reformen nachzudenken, statt immer zu betonen, dass man für die Demokratie kämpfen muss. Politik muss weniger kurzfristig im Hier und Jetzt regieren, sie muss sachkundiger werden und dem Populismus in ihren Reihen einen Riegel vorschieben, etwa indem Kandidatinnen und Kandidaten sorgfältiger ausgewählt werden. Ungarn hatte zwischen 2008 und 2012 einen parlamentarischen Sekretär für die Rechte zukünftiger Generationen, der hatte ein Vetorecht gegen Parlament und Regierung. Das war eine wunderbare Idee, sie müsste nur wieder aktiviert werden. Vielleicht könnte man in Deutschland mal darüber nachdenken, das wäre zumindest ein Anfang.
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