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Archiv-Artikel

daumenkino „Küss mich bitte“

Man mag ihn oder man mag ihn nicht, den in Frankreich sesshaften Liebesfilm. So manchen nervt sein Redebedürfnis, andere wiederum entdecken gerade in seiner Sprachgewalt einen Diskurs der Gefühle. Auch Emmanuel Mourets Film „Küss mich bitte!“ ist ein ununterbrochener Redefluss über die Liebe und ihre Folgen.

Es handelt sich hier um die Variante einer offensiven Flucht ins Wort. In einer scheherazadenhaften Rahmenhandlung erzählt die junge, hübsche Julie dem jungen, hübschen Gabriel, den sie vor wenigen Stunden kennenlernte, die Geschichte eines in den Irrungen und Wirrungen der Gefühle verlorenen Paares. Natürlich ist ihr Monolog auch eine Präventivmaßnahme. Er soll beweisen, dass ein Kuss mehr als ein Kuss ist. Dahingegossen liegt Emilie (Julie Gayet) auf einem Hotelbett und redet und redet, während Gabriel (Michael Cohen) an ihren Lippen hängt. Verirrt sich sein Blick einmal abwärts, schlägt sie kokett die Beine übereinander und ermahnt ihn, der vom Film dekorativ bebilderten Geschichte von Julie und Nicolas aufmerksam weiter zu folgen.

Bei den beiden handelt es sich um platonisch Verbundene. Die glücklich verheiratete Julie (Virginie Ledoyen) und Nicolas (Regisseur Emmanuel Mouret) sind beste Freunde, die kein Geheimnis voreinander haben. Als Nicolas, der schon lange ohne Freundin ist, von seiner Sehnsucht nach einem Kuss erzählt, gibt ihn Julie quasi als Freundschaftsdienst einen, der jedoch nicht folgenlos bleiben wird. Die eigentlich hübsche Idee, aus besten Freunden ein Liebespaar zu machen, reizt Mouret jedoch zu sehr aus. Da man gewohnt ist, über Worte miteinander zu kommunizieren, sprechen Julie und Nicolas auch im Bett alles, aber auch alles durch. Kusstechniken, Stellungswechsel und die verschiedenen Arten des Busenstreichelns werden en détail behandelt. Zur Überprüfung, ob der gemeinsame Sex tatsächlich so gut sei, wie er sich anfühlt, steigt man nach langer Debatte erneut ins Bett.

„Küss mich bitte!“ macht keinen Hehl daraus, dass er eine filmische Versuchsanordnung sein will. Die gediegene Ausstattung mit hellen Farben und spärlichen Möbeln verstärkt zudem den Eindruck eines sterilen Experimentierzimmers. Die Kamera bewahrt Distanz und beschränkt sich auf die Registrierung von Gefühlsschwankungen. Und da wir uns in der gehobenen Gesellschaftsschicht bewegen, bleibt der Gefühlshaushalt von sozialen Alltagsfragen verschont.

Ob man den Film nun mag oder nicht mag, ob der aufdringliche Einsatz klassischer Musikstücke (von Franz Schubert über die Traviata-Ouvertüre zur Nussknackersuite) den Hang zum Kunstgewerbe oder die Gefühle unterstreicht – eines ist sicher: Emilies Beweisführung ist geglückt. Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss! ANKE LEWEKE

„Küss mich bitte“. Regie: Emmanuel Mouret. Mit Julie Gayet, Michael Cohen. Frankreich 2007, 100 Min.