daumenkino: The Impostors
Lustig waren die Dreißigerjahre. Die Männer trugen Anzüge, Hosenträger und Pomade, die Frauen Plusterblusen und komische Hüte – das neue Retro-Ding aus Amerika sieht aus wie ein Woody-Allen-Film, bevor der Meister überhaupt auftaucht.
Es geht ja auch um seine Branche. Zwei erwerbsfreie Schauspieler inszenieren zunächst eine veritable Prügelei nebst Scheintod, um in einem gediegenen Parkcafé die Zeche zu prellen. Dann sprechen die Unglücksraben endlich bei Woody vor, dem Broadway-King, der eigentlich gar keine Zeit für sie hat und am Telefon mal wieder von irgendwem verlassen wird. Schließlich dringen sie in eine Konditorei ein, um unter Aufbietung all ihres wirklich bemerkenswerten mimischen Könnens wenigstens etwas Gebäck zu ergattern. Allein brotlos ist die Kunst – zumal in Zeiten großer Depression, und so ernten sie statt heißer Ware nur ein paar Theaterkarten. Für ein Stück mit dem berühmten Kollegen, diesem Großkotz, den sie so verachten wie nichts sonst in diesen scheußlichen Dreißigerjahren, als Qualität nichts galt und Angeberei bezahlt wurde. Ein Glück, dass das heute vorbei ist.
Vorbei sind damit leider auch die großen Szenen des Schauspielerduos Oliver Platt und Stanley Tucci, der hier erstmals seit seiner grandiosen Gastro-Burleske „Big Night“ wieder Regie geführt hat. Was als originelle Hommage an die eigene Kunst beginnt, endet recht bald in einem riesigen Überseekoffer und einem Stück, das mit „Stan und Ollie auf hoher See“ als Plagiat nur unzureichend gekennzeichnet wäre.
Als blinde Passagiere auf einem Ozeanriesen flüchten sie vor einem fiesen Nazi-Offizier, lassen dabei keinen Wandschrank aus, legen einem kommunistischen Bombenleger das Handwerk und machen die arme Königin (Isabella Rossellini) eines unbekannten Landes wieder glücklich.
Man sollte nun erwähnen, dass der eine dick, der andere dünn und beide ein bisschen doof sind. Ein klassisches Comedy-Paar, das sich hier in zeittypischem Slapstick versucht. Aber formvollendet über einen Koffer zu stolpern ist etwas anderes, als jemanden zu spielen, der formvollendet über einen Koffer stolpert.
Eine Komödie, inspiriert von einer anderen, das geht schief. Und ein aufgeklebter Schnurrbart, lieber Stanley Tucci, macht noch keinen Groucho Marx! Zumindest dieses bisschen Grips sollte man seinem dicken Kompagnon voraushaben. Vor allem ist „The Impostors“ einer dieser überladenen Ensemble-Filme, denen man fatal anmerkt, wie viel Spaß die alle beim Drehen hatten. Aber es ist ein sympathisches Scheitern.
Wie in „Big Night“, der philosophisch unterfütterte Kulinarien mit tiefer Musikalität verband („All you Calabrese do the mambo like you're crazy“), lädt Tucci auch in seinem neuen Film wieder zum Tanz. Der führt, wir sind in der Zeit der Studios, aus der Kulisse. Ein schöner Schluss. Bei Stan und Ollie kam der mit gutem Grund meist eine Stunde früher. PHILIPP BÜHLER
„The Impostors“. Regie: StanleyTucci. Mit Oliver Platt, Stanley Tucci,Steve Buscemi, Hope Davis, IsabellaRossellini u. a. USA 1998, 102 Min.
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