daumenkino: Felix im Wunderland
1998 konnten Oliver Ducastel und Jacques Martineau ihren Film „Jeanne et le garçon formidable“ im Wettbewerb der Berlinale landen – ein in seiner Banalität freilich kaum zu ertragendes Aids-Musical. Auch „Felix“ beginnt wie ein Musical, ist aber keins und, dies sei vorweggenommen, der viel bessere Film. Gerade arbeitslos geworden, fährt der Titelheld schlingernd auf seinem Rad, als würde er zu der Schnulze, die wir aus dem Off hören, tanzen, noch einmal zur alten Arbeitsstelle, zum Hafen, um seine Papiere zu holen. Die Reederei wird wegen der Konkurrenz des Kanaltunnels ihren Betrieb einstellen, die Kollegen bald auf der Straße stehen. Doch dies alles ficht Felix nicht an. Als Inbegriff der guten Laune nimmt er seine Entlassung zum willkommenen Anlass, endlich nach seinem arabischen Vater zu suchen, den er nie gesehen hat. Der wohnt vermutlich in Marseille, am anderen, südlichen Ende Frankreichs. Also macht sich Felix auf den Weg, vor ihm liegen viele hundert Kilometer Wegstrecke, gespickt mit gefährlichen wie beglückenden Abenteuern und Begegnungen.
Sehr genau, ja nahezu perfekt haben die Filmemacher ihre Geschichte gestrickt. Um die Reise vom Anfangs- zum Endpunkt zu spannen, gibt es eine ganzes Arsenal von Konstanten und treibenden Momenten. Felix wird kurz nach dem Aufbruch Zeuge eines rassistisch motivierten Verbrechens und dadurch fast selbst zum Opfer. Dieses Trauma dient bis zum Ende der Reise als düsteres Korrektiv gegenüber den ansonsten durchweg heiteren Erlebnissen. Daneben gibt es eine Reihe von Wiederholungen und Running Gags, die allesamt sinnvoll von der Handlung aufgefangen werden. Etwa die Sache mit der TV-Soap. Felix nervt alle seine Partner mit seiner Leidenschaft für jene ans Debile grenzende Fernsehserie namens „Luxus, Ruhm und Sinneslust“, die jeden Morgen um 9.30 Uhr ausgestrahlt wird. Bis er auf die würdevolle Dame Mathilde trifft, die ebendiese Leidenschaft mit ihm teilt.
„Felix“ ist ein utopischer Film, der glauben machen will, die Kräfte des Guten könnten stärker sein als die des allgegenwärtigen Bösen. Für 90 Kinominuten hängen wir diesem Glauben allzu gern an.
CLAUS LÖSER
„Felix“. Buch/Regie: Olivier Ducastel, Jacques Martineau. Frankreich 2000, 97 Min.
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