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daumenkinoEnemy at the Gates

Krieg ist wie Fußball. Spannend und lustig ist es nur, wenn man sich mit einer der beiden Mannschaften identifiziert. In Jean-Jacques Annauds 180-Millionen-Abschreibungs-Materialschlacht „Duell – Enemy at the Gates“ kommt man vor allem in der englischen Originalversion ziemlich durcheinander.

Die Nazis sind zwar brauner uniformiert, zackiger und härter drauf als die grünlichen Rotarmisten. Die aber sind schon 1942 so amerikanisiert, dass sie im wodkaseligen Kessel von Stalingrad eine Pressekampagne entfachen, die mehr nach Murdoch als nach Prawda riecht: So wird Scharfschütze Wassili (Jude Law) mit Pomp und Gloria zum Medienstar gemacht.

„Die Russen“ sterben bei Annaud schon zu Beginn auf einem kleinen Brandenburger Kulissensee wie tumbes Kanonenfutter. Also konstruiert der irrerweise wie eine Billigproduktion aussehende Babelsberger Euro-Heimatfilm ein Duell zweier Scharfschützen, verklammert durch einen russischen Jungen, der einen kindlichen Doppelagenten mimt. Ed Harris ist Major König, mindestens so blau- wie scharfäugig und böse genug, dass Annaud eine Berliner Boulevardzeitung fragte, ob er die Deutschen nicht zu negativ dargestellt habe.

Noch in keinem Kriegsfilm habe ich so herzlich gelacht. Zum Beispiel über die sympathische Sophie Rois als Scharfschützin Ludmilla. Sie trägt ein Gewehr, das scheinbar doppelt so schwer ist wie sie selbst. Wankend und schwankend stakst sie durch die Pappkulissen, Leichen pflastern ihren Weg, und nach zehn Minuten ist auch sie nur noch ein Fetzen ihrer selbst.

Stalin und Hitler spielen leider nicht mit, aber Bob Hoskins als Chruschtschow passt. Das fast völlige Ignorieren historischer Fakten hat was von ungewollter Mythos-Dekonstruktion. Haufenweise alte Straßenbahnen, Dampfloks und Fischerboote hatte man zusammengekauft und sämtliche irgendwie slawisch aussehenden Berliner durften als Menschenmaterial Statistengeld verdienen. Einige sogar doppelt – die Schlussszene musste auf Geheiß Hollywoods fröhlicher enden und deshalb nachgedreht werden. Winke, winke vom T-34 und Kasatschok olé!

ANDREAS BECKER

„Duell – Enemy at the Gates“. Regie: Jean-Jaques Annaud. Mit Jude Law, Ralph Fiennes, Rachel Weisz, Bob Hoskins u.a. Irland/Deutschland/GB 2001, 131 Min.

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