daumenkino: Königin der Verdammten
Vampire rocken
Ein Off-Erzähler sollte einen im Kino prinzipiell argwöhnisch stimmen. Da vertraut jemand seinen eigenen Bildern nicht, vertraut seiner Geschichte nicht und wie er sie erzählt. „Die Königin der Verdammten – Herrin aller Vampire“ glaubt, gleich zwei Erzähler nötig zu haben. Das sollte einen besonders argwöhnisch stimmen. Argwöhnisch war Anne Rice, so wird kolportiert, bereits bei der ersten Verfilmung eines ihrer vier Romane aus dem Zyklus um den Vampir Lestat. Nun hat sie endgültig Anlass, die Stoßzähne auszufahren: Verglichen damit, was der australische Regisseur Michael Rymer „Queen of the Damned“ antut, war die zwiespältige Umsetzung von „Interview mit einem Vampir“ mit Tom Cruise und Brad Pitt ein tief gründelndes Meisterwerk der Filmkunst. Die New York Times schätzte Rymers Adaption als „dumm“ ein, und die Washington Post konnte sich nicht den Kalauer verkneifen: „Die Königin der Verdammten“ sei doch vor allem „zahnlos“.
Lestat, diesmal gegeben von einem scheinbar stets mit bloßem Oberkörper agierenden Stuart Townsend, erwacht eines Morgens zum Klang bleischweren Industrial-Rocks, hat das einsame Blutsaugergewerbe satt und beschließt, eine seiner untoten Existenz angemessene Karriere anzustreben: Er wird Rockstar. Und als er öffentlich verkündet, ein Vampir zu sein, lässt der Erfolg nicht lange auf sich warten. Fortan fliegt er auf der Bühne ein, saugt allabendlich Groupies leer und landet auf dem Cover des Rolling Stone. Zu Komplikationen kommt es, weil Lestats Artgenossen so viel Öffentlichkeitsarbeit gar nicht schätzen. Dass dann auch noch die titelgebende ägyptische Königin erwacht und sich prompt ins Massenmord-Business stürzt, wirft einen Schatten auf Lestats Aufstieg zum blutleersten Rockstar seit Elton John.
Die Songs für Lestats Band hat Jonathan Davis von der Schwermetall-Institution Korn geschrieben und singt sie auch im Film. Für den Soundtrack musste das schwer stampfende Material aus Vertragsgründen noch einmal neu eingespielt werden von Bands wie Marylin Manson, Papa Roach oder Godhead. Hier waren also einschlägige Profis am Werk. Das kann man nicht sagen vom Rest des Films, der sich aus Videospiel-Ästhetik, peinlichen Dialogen, kruder Quasiphilosophie, lächerlichen pseudo-ungarischen Akzenten und, wenn gar nichts mehr hilft, reichlich blubberndem Blut zusammensetzt. Auch der kurz nach den Dreharbeiten tödlich verunglückten Aaliyah sieht man in der Rolle der antiken Queen an, dass sie eher Pop- als Filmstar war. Dabei ist die Grundkonstellation, dass ein Vampir ganz vorzüglich und ohne groß aufzufallen im modernen Unterhaltungsgewerbe überleben könnte, natürlich brillant. Nur: „Königin der Verdammten“ schöpft nicht einmal das Humorpotenzial dieser Idee aus. Und noch weniger möchte der Film auch nur in Ansätzen eine Parabel auf die Entertainmentindustrie sein. Schade um das viele Blut.
THOMAS WINKLER
„Königin der Verdammten“. Regie: Michael Rymer. Mit Aaliyah, Stuart Townsend, Vincent Perez u. a., USA 2002, 103 Min.
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