das wird: „Mit dem Außen das Innen ändern“
Das „Mural City“-Festival macht zehn Bremer Wände bunt – da, wo es sonst wenig Kunst gibt
Interview Amelie Müller
taz: Herr Stöcker, finden Sie Bremen hässlich und grau?
Peter Stöcker: Jede Großstadt und so auch Bremen hat schöne und weniger schöne Seiten. Ich möchte gerne dazu beitragen, dass es mehr von den schönen Seiten gibt.
taz: Das möchten Sie mit einem Fest für Fassadenkunst tun und fangen im Stadtteil Gröpelingen an – ein ehemaliges Arbeiterviertel durch seine Nähe zum Hafen. Warum startet das Fest hier?
Stöcker: In Stadtteilen wie Gröpelingen gibt es Gebäude, die objektiv und subjektiv betrachtet nicht die schönsten sind. Aber wir sehen ein großes Potenzial in diesen Flächen. Sie wirken auf uns wie große, weiße Leinwände. Die Kunst, die wir machen und befördern, hat eine starke transformative Kraft. Die möchten wir nutzen, um Quartiere, die es besonders nötig haben, aufzuwerten.
taz: Warum hat es Gröpelingen nötig?
Stöcker: Es ist ein sehr durchwachsener Stadtteil mit ganz unterschiedlichen Facetten. Bremen hat mehrere dieser Peripheriebezirke, in denen in Teilen immer auch Armut und Perspektivlosigkeit eine Rolle spielen. Das ist sicher nicht das Einzige, was das Quartier und die dort lebenden Menschen ausmacht, es ist aber auch nicht schönzureden oder zu übersehen.
taz: Es werden zehn Fassadenkunstwerke, Murals genannt, zum Oberthema „Beauty of Nature“ entstehen. Wieso dieses Thema?
Stöcker: Wir wollen ein nachhaltiges „Urban Art“-Fest auf die Beine stellen. Und es gibt in Bremen immer touristische Jahresthemen. Das Thema dieses Jahr ist „Natürlich Bremen“, das hat gut gepasst. Dabei geht eine Motivwelt auf, mit der sich viele Leute identifizieren können. Wir wollen alle Menschen mitdenken, die mit diesem Projekt in Berührung kommen.
Festival „Mural City“ mit Werken von zehn internationalen Fassaden-Künstler*innen, 17. bis 23. 8., Bremen-Gröpelingen, zwischen Bromberger, Gnesener und Rostocker Straße
taz: Dabei setzten Sie auf nachhaltige Farben. Was unterscheidet diese Farbe von herkömmlicher?
Stöcker: Wir arbeiten mit klimapositiver Fassadenfarbe. Die enthält einen bestimmten Stoff, der Schadstoffe aus der Umgebungsluft aufspaltet und dadurch die Umgebungsluft reinigt und verbessert. Die Farben haben also eine photokatalytische Wirkung.
taz: Also verzichten Sie auf Sprühfarben?
Genau. Wir kommen aus dem „Urban Art“-Kontext, wo Künstlerinnen und Künstler klassischerweise mit Sprühdosen arbeiten. Ich habe mich bei diesem Event entschieden, fast ausschließlich auf Fassadenfarben zu setzen. Das heißt mit Rolle und Pinsel. Da verlassen einige Künstler ihr Medium.
taz: Glauben Sie, die nachhaltigen Farben können einen Unterschied bewirken?
Stöcker: Keiner von uns kann als Einzelperson die Welt ändern. Aber wir können schauen, was wir in unserem Umfeld umgestalten können, um vielleicht einen kleinen Unterschied zu machen, was die Zukunft unseres Planeten angeht. Und wenn es nur bei ein paar Menschen ein Umdenken anstößt.
taz: Das Fest soll ab jetzt jedes Jahr stattfinden. Ist der Plan, dass Bremen irgendwann keine graue Wand mehr hat?
Stöcker: Das wäre aus meiner Perspektive natürlich wünschenswert, wenn es wirklich auffällig viele Kunstwerke hier gibt. Bremen hat ja auch eine lange Historie, begonnen bei Bunkermalereien, die die Kriegsthematik aufgegriffen haben. Es gibt aber auch viele moderne Arbeiten, die aus dem Graffiti- oder aus dem „Urban Art“-Kontext stammen. Ich persönlich freue mich, ganz viel Kunst nach Bremen zu bringen und auch internationale Gäste einzuladen. Für das Mural-Festival habe ich eine Zehnjahresplanung vor Augen. Das ist aber davon abhängig, in welcher Form wir Unterstützung haben und ob wir die nötigen Mittel akquirieren können.
taz: Kann ein Mural konkret die Lebensrealität von einem Menschen verbessern?
Stöcker: In erster Linie ist immer jeder für sich selbst verantwortlich. Dennoch denke ich, dass, wenn man das Außen ändert, sich vielleicht auch im Innen was ändern kann. Man spürt hoffentlich die Energie, die in die Kunstwerke hineingegeben wird – egal ob sie lustig sind oder informierend oder inspirierend. Die Murals sind eine Art Wertschätzung für Viertel, in denen Menschen weniger mit Kunst in Kontakt kommen oder auch gar nicht die finanziellen Mittel haben, sich Kunst zu leisten.
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