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das wird„Ich höre auf die Musik und variiere meine Texte“

Dichter Thomas Kunst improvisiert zu Jazzmusik mit Studierenden des Osnabrücker Instituts für Musik

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Kunst, im Gegensatz zur Lyrik wird im Jazz viel improvisiert. Wie spontan wird der im Titel versprochene „Dialog der Künste“ bei Ihrem Konzert sein?

Thomas Kunst:Es gibt kein vorgegebenes Konzept. Alles ist sehr frei und das liegt mir sehr. Auch bei meiner eigenen Arbeit will ich vorher gar nicht wissen, was ich am kommenden Tag schreiben werde. Deshalb kommt mir das Prinzip der freien Improvisation sehr entgegen. Ich werde bei dem Auftritt Texte vortragen, die die Musiker gar nicht kennen, denn ich möchte, dass der Dialog ganz frei und unverbraucht ist.

taz: Sie tragen also Texte vor, die schon fertig waren?

Kunst: Nein, eben nicht. So wie die Musiker auf meine Worte reagieren, höre ich auch auf sie und variiere jeweils im Augenblick meine Texte und stelle zum Beispiel einzelne Wörter um.

taz: Welche Art von Texten werden Sie so bearbeiten?

Konzert und Lesung „WortMusik: Jazz und Lyrik im Dialog der Künste“: heute, 20 Uhr, Osnabrück, Plektrum des Instituts für Musik, Caprivistraße 1; Eintritt frei

Kunst: Ich werde keine von meinen langen Gedichten vortragen, weil man sich dabei leicht verzetteln könnte. Aber ich schreibe seit einiger Zeit Lyrik in der Tradition der fünfzeiligen japanischen Tanka-Gedichte und die haben sich als brauchbar erwiesen, weil sie auf begrenztem Raum Welt atmen.

taz: Es gibt gerade in Norddeutschland eine starke Verbindung zwischen Jazz und Lyrik. Die Hamburger Peter Rühmkorf, Michael Naura und Wolfgang Schlüter haben in den 1960er-Jahren oft zusammengespielt. Sehen Sie sich in dieser Tradition?

Kunst: Nein, darum habe ich mich nie gekümmert. Ich komme ja aus der DDR und ich wusste, dass es bei uns eine Amiga-Reihe mit Plattenproduktionen unter dem Namen „Jazz und Lyrik“ gab. Aber die habe ich mir nie angehört, weil ich dachte, da liest einer etwas und der andere spielt daneben und das wäre überhaupt nicht in meinen Sinne gewesen. Aber dies alten Vorurteile habe ich inzwischen überwunden. Sonst hätte ich nie bei diesem Workshop mitgemacht.

taz: Dies ist also auch für Sie Neuland?

Foto: privat

Thomas Kunst

geboren 1965 in Stralsund, ist seit 1987 Bibliotheksassistent der Deutschen Nationalbibliothek. Er schreibt Prosa und Lyrik und war 2021 mit „Zandschower Klinken“ auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis.

Kunst: Nicht so ganz. Seit ich ein kleiner Junge war, habe ich Geige gespielt und war dann in verschiedenen Bands. Musik begleitet mich mein ganzes Leben lang und privat habe ich auch bei ein paar Glas Wein Texte vorgetragen und dazu haben ein Pianist und ein Gitarrist etwas gespielt. Wir haben das damals noch auf Musikkassetten aufgenommen. Das ist also über 30 Jahre her. Ich habe mich dann aber dafür entschieden, entweder nur zu schrei­ben oder Musik zu machen. Dies ist jetzt seit langer, langer Zeit das erste Mal, dass ich so etwas wieder mache.

taz: Wenn nun alles bei dem Auftritt unvorbereitet und spontan ist, was haben Sie dann bei diesem Workshop gemacht?

Kunst: Wir haben vor allem miteinander geredet, den Kreisel herumgehen lassen und gesagt, was uns an Musik so gefällt oder welche Musiker und Bands wir lieben. Und dabei waren wir oft auf einer Ebene, obwohl wir ja im Alter so weit auseinanderliegen. Einige von den Studierenden im Alter zwischen 20 und 25 Jahren meinten, dass Literatur bisher gar nicht in ihrem Leben vorgekommen ist. Und das ist ja auch interessant: Was macht man, wenn man zum ersten Mal mit Lyrik in Berührung kommt?

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