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das wird„Eine Person hat eine Vision – und zieht die durch“

In der Bremer Schwankhalle gibt's ein Festival für Alleingänge

Interview Benno Schirrmeister

taz: Was verstehen Sie unter einem Solo, Frau Becker?

Anna K. Becker: Gute Frage! Die Idee, ein Solo-Festival zu machen, hatte ich schon lange, und bei Gesprächen im Vorfeld zeigte sich, dass das für viele gleichbedeutend war mit einer Beschränkung auf Tanz, also Szenen, in denen ein einzelner Körper ohne großes Bühnenbild den Raum einnimmt. Aber mir ging es gar nicht in erster Linie um tanzende Körper oder darum, dass es besonders kompakt ist.

taz: Sie lassen beim Solo-Festival in der Schwankhalle ja sogar das Straßentauben-Kollektiv auftreten – obwohl sie zu dritt sind?

Becker: Die bilden tatsächlich eine Art Ausnahme im Programm: Ich habe mich dafür entschieden, weil die drei Personen sind, die über dasselbe Thema sprechen können, auch aus einer Betroffenheit heraus, und dabei gleichzeitig auf der Bühne nicht als drei Individuen dastehen wollen. Was sie machen, das ist ein Monolog für drei Körper. Aber um das zu erklären muss ich noch einmal einen Schritt zurückgehen.

taz: Und zwar?

Solo – Festival für künstlerische Alleingänge: 23. bis 25. 5 sowie 30. 5. bis 1. 6., Schwankhalle, Bremen. Tickets auf www.schwankhalle.de

Becker: Die zweite klassische Vorstellung von Solo, der ich begegnet bin, war die des Textsolos – des Monologs: Auch da war mir klar, das ist nicht das, worum es mir geht. Denn da stehen dann meistens Schau­spie­le­r*in­nen auf der Bühne, die in der Regie einer anderen Person einen Text einer weiteren Person sprechen. Für mich war dagegen entscheidend, dass die Personen, die da auf der Bühne stehen, auch diejenigen sind, auf deren Mist das Ganze gewachsen ist, egal ob es ein körperbetontes Tanz-Solo oder eine stärker texthaltige Performance ist: Eine Person hat eine Vision – und zieht die durch. Darum geht’s. Sie ist immer zahlenmäßig unterlegen, sie steht gleichsam in einer Arena von ganz vielen anderen, es gibt keine Kolleg*innen, keinen Dialog, keine Absprachen – sondern nur Einer gegen alle. Oder mit allen.

taz: Reagiert das Festival damit auch auf die messbare Vereinzelung, die unsere Gesellschaft prägt?

Becker: Auf jeden Fall. Diese Vereinzelung in der Selbstoptimierungswelt, in der eben auch sehr viel von dem, was in der Macht des Kollektivs läge, auf einzelne Personen abgewälzt wird, das macht es für mich wichtig, nach einer Form wie dem Solo zu fragen. In einer Zeit, die davon bestimmt ist, dass alles gekürzt und verknappt wird, Geld und Ressourcen, kann das Solo Ausdruck der dadurch erzeugten Konkurrenzen sein. Die werden ja geschürt durch Shows und Fernsehsendungen, bei denen es immer darum geht, wer ist der beste. Irgendjemand muss es schaffen, und ist dann die Heldin, der Held, und wenn ich es schaffe, schaffst du es jedenfalls schon mal nicht. Der Alleingang muss klappen und er funktioniert immer nur über Ausschlüsse.

taz: Aber das entspricht nicht der Idee der Soli des Festivals?

Foto: Janna Schmidt

Anna K. BeckerDramaturgin und Regisseurin, leitet zusammen mit Katrin Hylla die Schwankhalle und kuratiert dort das Solo-Festival.

Becker: Nein. Denn das Solo kann Verbundenheit gerade im Auftritt der Einzel-Person schaffen. Wir alle sind extrem miteinander verbunden und sind voneinander abhängig. Und diese Abhängigkeit ist, so gesehen, nichts Schlechtes, sondern etwas Schönes. Aber im Moment müssen wir uns das irgendwie wiederholen, um zu sehen, für wen wir uns zuständig fühlen, wer für uns zuständig ist, und wer als einzelner eben nicht nur für sich selbst spricht, sondern in seinem Sprechen auch die Ähnlichkeit mit den anderen herstellt, eine Gemeinschaft.

taz: Das Solo ist traditionell eng mit der Figur des Virtuosen verbunden, der zum Kult ums soziopathische Genie gehört: Spielt das bei den Performances in der Schwankhalle eine Rolle?

Becker: Ich glaube, dass die Arbeiten da sehr unterschiedlich drauf Bezug nehmen – auch wenn es einen weitgehenden Konsens darüber geben dürfte, dass wir das Konzept vom Genie überholt haben: Da werden künstlerische Strategien und persönliche Erfahrungen dagegen gesetzt. Aber gerade deshalb ist es schön, dass beim Festival so viele unterschiedliche Positionen gesehen und bequem miteinander verglichen und an den Sonntagen auch in den kostenlosen Künst­le­r*in­nen­ge­sprä­chen befragt werden können.

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