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das wird„Es geht um eine friedliche Revolution“

Auch in Hamburg gründet sich die „Neue Generation“, die in der Nachfolge der Letzten Generation Bürgerräte bilden will

Interview Friederike Gräff

taz: Wie erleben Sie die Neugründung der Letzten Generation als Neue Generation, Frau Schmidt?

Margret Schmidt: Ich hänge noch ein bisschen an der Letzten Generation. Aber es ist jetzt ein Startschuss für etwas Neues: Noch gibt es die Neue Generation in Hamburg nicht. Es gibt aber nicht nur die Neue Generation, es gibt auch das Widerstandskollektiv, das ist sozusagen der praktische Ableger der Letzten Generation.

taz: Ist es nicht tragisch, wenn sich eine Bewegung, die eigentlich alle Kraft braucht, spaltet?

Schmidt: Ja, das ist es. Aber jetzt geht es mit neuen Ideen weiter. Als die Letzte Generation über den weiteren Weg reflektiert hat und noch nichts Neues da war, war ich ziemlich frustriert, weil ich dachte: Gerade jetzt bei der Bundestagswahl müssen wir doch loslegen.

Und dann?

Schmidt: Da habe ich kurzerhand die Gruppe Omas für Tempolimit gegründet. Es ist schon eine Forderung im Namen drin: etwas Einfaches, was wirklich sofort umsetzbar ist. Im Januar und Februar habe ich zwei Verkehrsblockaden auf der Reeperbahn organisiert, gemeinsam mit Extinction Rebellion und Scientist Rebellion. Wir haben gesagt: Verkehr ist öffentlich geiler. Und Feinstaub führt zu Erek­tionsstörungen. Das war auf der Reeperbahn ein bisschen lustig. Gesunde Luft können wir uns nicht kaufen. Das spüren wir alle. Auch die Reichen können sie sich nicht kaufen und trotzdem machen wir alle weiter so.

Und nun lassen Sie sich auf etwas Neues mit der Neuen Generation ein?

Infoveranstaltung „Neue Generation“, ehemals Letzte Generation“, stellt ihr Konzept „Parlamente der Menschen“ vor, 16. 4., 18 Uhr, Jupiter, Bar im 5. Stock, Mönckebergstraße 2-4, Hamburg.

Schmidt: Die Grundidee der Neuen Generation ist, dass es Gesellschaftsräte geben soll, was ich super finde. Erst einmal helfe ich jetzt bei der Organisation der Vorträge. Dann wird es im Mai ein erstes Aktionstraining geben und ab dem 2. Juni gehen wir für Bürgerräte und gegen Korruption eine Woche in Berlin auf die Straße.

taz: Das ist keine ganz neue Idee.

Schmidt: Aber diesmal sollen es Bürgerräte mit Gestaltungsmacht sein. Das Ziel ist, weiter gegen die Naturzerstörung zu kämpfen. Aber es ist erweitert: Es geht um eine friedliche, demokratische Revolution gegen die extreme Rechte und gegen die extrem Reichen.

taz: Gelingt es der Neuen Generation, die Menschen, die vorher bei der Letzten Generation mitgemacht haben, da mitzunehmen?

Schmidt: Ich bin für die Neue Generation offen und für das Widerstandskollektiv. Ich muss mich da gar nicht entscheiden. Das ist bei vielen von uns, die aktiv sind, so. Man muss dazusagen: Das sind natürlich die Ungeduldigen von uns, die nicht nur angemeldete Sachen machen wollen, sondern auch mal ein bisschen mehr Druck reingeben möchten. Und es bleibt uns ja gar nichts anderes übrig als die Notbremse. Wobei die ja durch den Paragrafen 129a ausgeschaltet wird.

Foto: privat

Margret Schmidt 58, ehemals Mitglied der Letzten Generation, ist nun bei der Neuen Generation und in anderen Klimagruppen aktiv.

taz: Das ist der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung, der Mitgliedern der Letzten Generation gemacht wurde – weshalb einige aufgehört haben.

Schmidt: Ich finde, die Letzte Generation war sehr erfolgreich darin, dass sie den Druck in die Öffentlichkeit gebracht hat, über den Tellerrand hinaus, über Deutschland hinaus. Mehr kann sie gar nicht erreichen. Und jetzt ist es eine gesamtgesellschaftliche Hausaufgabe: Komm, wir müssen auch mal was machen. Die Bürgerräte gab es ja schon einmal zur Wende, als Runde Tische – die dann aber doch keine Gestaltungsmacht hatten. Wir müssen jetzt etwas gegen die Aushöhlung der Demokratie machen und gegen die Klimazerstörung, weil beides zusammenhängt. Aber bislang hat die Gesellschaft zu wenig Mut dazu.

taz: Woher könnte der kommen?

Schmidt: Die neue Generation will die Parlamente der Menschen einrichten, damit alle Einzelnen sich wieder befähigt fühlen: Hey, ich werde gesehen. Wenn Leute in Ostdeutschland sich immer noch nicht gehört fühlen, und dadurch mehr AfD wählen, ist es eine liegen gebliebene Hausaufgabe, die wir als Gesellschaft machen müssen. 76 Prozent der Leute wollen Klimaschutz und wollen auch dafür einstehen.

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