das wird: „Es geht um das freie mündliche Erzählen“
Von Märchen bis zu Erlebnissen: In Braunschweig feiert die „Erzählbühne“ den Weltgeschichtentag mit einem Abend über tiefe Wasser
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Schweingruber, was ist der Weltgeschichtentag?
Harry Schweingruber: Der World Storytelling Day wird am 20. März von Erzählenden in Europa und vielen anderen Ländern gefeiert. Er wurde in den 1990er-Jahren in Schweden ins Leben gerufen. Aber es gibt keinen offiziellen Träger wie bei der Unicef oder dem Weltwassertag. Stattdessen gibt es viele autarke Gruppen wie uns, die Veranstaltungen organisieren.
taz: Was verbindet diese internationale Gemeinde?
Schweingruber: Es geht um das freie mündliche Erzählen, das uns vom Theater und klassischen Lesungen unterscheidet. Wenige haben es überhaupt auf dem Schirm, dass dies eine eigene Kultur ist. Man kennt das höchstens noch von Comedians oder Poetry-Slams. Aber wir wollen kultivieren, dass frei auf der Bühne Geschichten erzählt werden.
taz: Meinen Sie damit bekannte Geschichten, persönliche Erlebnisse oder erfundene Erzählungen?
Schweingruber: Die Inhalte sind frei. Es gibt die klassischen Märchenzählerinnen, und das kann man auch ruhig in der weiblichen Form sagen, weil es fast nur Frauen sind, die zum Beispiel auch einen Grundstock unserer Mitgliedschaft bilden. Ich bin dagegen eher ein Geschichtenerfinder. Ich habe Spaß daran, neue Geschichten zu schreiben oder alte Geschichten so zu ändern, dass sie wieder zeitgemäß sind. Und dann gibt es noch Leute, die etwas erzählen, was sie selber erlebt haben. Das sind dann manchmal kleine Sternstunden, denn es geht darum, dass mehr Leute ihre eigenen Erzählungen präsentieren.
Erzählabend „Tiefe Wasser“: heute, 18.30 Uhr, Kult-Theater Braunschweig. Der Weltgeschichtentag wird auch in Bremen, Lübeck, Flensburg und Glücksburg gefeiert; Infos und Programm: weltgeschichtentag.de
taz: Und wie fördern Sie diese mündliche Erzählkultur?
Schweingruber: Wir veranstalten Workshops, für die wir professionelle Erzähler*innen einladen, die ein Coaching machen, bei dem es etwa darum geht, wie man eine Geschichte überhaupt umsetzt. Meistens wird an der Bühnenpräsenz gearbeitet. Also, wie stehe ich auf der Bühne, was habe ich für eine Körpersprache und wie klingt meine Stimme?
taz: Was passiert bei Ihrer aktuellen Veranstaltung?
Schweingruber: Neun Mitglieder von unserem Verein werden ihre eigenen Geschichten vortragen. Das ist eine abendfüllende Veranstaltung mit etwa anderthalb Stunden Erzählzeit. Wir haben das vorgegebene Motto „Tiefe Wasser“ übernommen. Manchmal geht eine Erzählung auch neben das Thema, aber das sehen wir nicht so eng.
taz: Gibt es noch andere spezielle Attraktionen an diesem Abend?
Schweingruber: Anja Säuberlich ist eine Bauchrednern und sie macht die Moderation zusammen mit ihrem Schnörz. Das ist ein kleines, schweinsartiges Wesen auf ihrem Schoß.
taz: Und dann haben Sie in Ihrer Ankündigung noch ein Wortspiel mit „Wasser“ und „Suppe“. Es wird also auch einen Imbiss geben?
Schweingruber: In früheren Jahren haben wir zum Weltgeschichtentag ein mehrtägiges Festival veranstaltet und den Imbiss haben wir davon hinübergerettet. Wenn die Leute in der Pause gemütlich etwas essen und trinken können, wird der Abend dadurch auch ein wenig zu einer Feier.
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