das wird: „Niemand sollte uns reinquatschen“
Die Kieler „Filmgruppe Chaos“ feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum und ist mit neuen Filmen in Hannover zu Gast
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Weber, die kommende Veranstaltung im Kino im Sprengel in Hannover wird etwas keck mit dem Spruch „50 Jahre RAF-Anschlag auf die deutsche Botschaft in Stockholm – 50 Jahre Filmgruppe Chaos aus Kiel“ angekündigt. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Karsten Weber: Dort wird unser Film „Jeder ist verantwortlich“ gezeigt. Das ist ein Porträt von Lutz Taufer, der damals an der Besetzung der deutschen Botschaft beteiligt war und daraufhin für 20 Jahre im Knast landete. Als er wieder rauskam, ging er nach Brasilien und hat dort in Favelas Sozialarbeit gemacht.
taz: Der Film wurde im letzten Jahr gedreht, er sieht aber aus, als wäre er selber auch 50 Jahre alt. Wie haben Sie das hingekriegt?
Weber: Wir haben ihn analog auf Schwarz-Weiß-Filmmaterial gedreht und dann in der Besenkammer mit einer Entwicklerdose und Chemikalien selbst entwickelt. Darum ist er so grob und körnig. Das RAF-Kommando benannte sich damals nach Holger Meins und der war ja auch ein Filmemacher. Wir dachten, es wäre eine gute Erzählweise, unseren Film so zu produzieren, als wäre er selber auch aus dieser Zeit.
taz: Es gibt ihre „Filmgruppe Chaos“ jetzt schon seit 50 Jahren. Aber was ist denn heute noch von dem damaligen Kollektiv übrig?
Filmvorführung der Filmgruppe Chaos und Gespräch mit Karsten Weber: 25. 1., 20 Uhr, Kino im Sprengel, Hannover
Weber: Ich bin als einziger von dem Gründungshaufen übriggeblieben, aber das ist so wie bei einer Band. Auch bei uns gab es Wechsel. Alle sieben Jahre hatten wir eine Krise. Dann sind Leute weggegangen und die Gruppe hat sich neu formieren müssen. Jetzt ist gerade wieder solch ein Moment und wir sind zur Zeit gerade mal zwei Leute.
taz: Wie hat es denn mit Chaos 1975 angefangen?
Weber: Ich habe 1974 zu Weihnachten von meinen Eltern eine Super 8-Ausrüstung geschenkt bekommen und wir haben dann begonnen, damit Spaß zu haben. Wir wollten einfach machen, was uns gefällt. Und wir wollten niemanden, der uns da reinquatscht. Darum hatten wir auch immer eine Aversion gegen Filmhochschulen.
taz: Hatten Sie von Anfang an auch einen politischen Anspruch?
Weber: Für uns war das Filmemachen keine Selbstdarstellungsgeschichte. Wir haben hingegen versucht, auch andere Menschen zu unterstützen, die unabhängig Filme machten. Wir haben Workshops angeboten, Filmausrüstung zur Verfügung gestellt und offene Leinwände organisiert, bei denen Leute, die vor sich hin geprokelt haben, ihre Filme zeigen konnten.
taz: Und wann wurden Ihre Filme dann auch inhaltlich politisch?
Karsten: Das war, als wir in die Kieler Hausbesetzerszene reingestolpert sind. Wir waren stinksauer darüber, wie die Leute aus der Szene von den lokalen Medien behandelt wurden. Danach waren wir auch anderen sozialen und politischen Bewegungen verbunden. Aber wir gehörten ihnen nie an und standen immer in einer kritischen Distanz. Und so haben wir uns eigentlich permanent mit den Leuten aus der Politszene gestritten.
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