das wird: „Das Bild bekommt eine Körnigkeit, die viele gut finden“
Mit Gemüsebrühe Filme zu entwickeln, kann man beim Super-8-Wochenende in Bremen lernen
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Tews, Filme werden fast nur noch digital gedreht. Was ist an dem antiquierten Schmalfilm-Filmformat Super-8-Film heute noch interessant?
Alfred Tews: Die neue digitale Welt ist eben nicht alles. Beim Filmen auf Super 8 geht es um die Faszination des nicht Beliebigen. Da kann man nicht alles gleich wiederholen – schon weil das Filmmaterial heute so teuer geworden ist. Ich halte den Lerneffekt beim Arbeiten mit einer Super-8-Kamera für viel größer als bei einer Digitalkamera, weil man voraus planen muss. Eine Digitalkamera stellt sich zum Beispiel automatisch scharf, aber bei einer Super-8-Kamera muss man den Abstand bis auf 5 Zentimeter genau abmessen. Und auch die Belichtung muss genau stimmen.
taz: Und trotzdem geht selbst bei Profis vieles schief. Muss man also etwas vorberechnen, was eigentlich gar nicht genau zu berechnen ist?
Tews: Richtig, und das liegt daran, dass die Super-8-Kameras, mit denen heute gedreht wird, alle mindestens 40 Jahre alt sind, denn die letzten wurden 1981 hergestellt.
taz: Die analogen Super-8-Bilder sehen ja auch anders aus. Ist das nicht so wie beim Musikhören von Vinyl-Schallplatten?
Tews: Ja, das digitale Bild hat eine metallische Kälte. Früher gab es durch das Filmmaterial ein wärmeres Bild. Heute ist der Super-8-Film eines der wenigen Medien, in dem man ohne digitale Nachbearbeitung ein warmes Bild machen kann. Außerdem bekommt das Bild durch die Beschichtung der Filmstreifen eine Körnigkeit, die viele gut finden. Und es gibt beim digitalen Filmemachen keine Tiefenschärfe. Auch die kann man nur nachträglich konstruieren.
taz: Und man braucht Geduld, denn man kann die gemachten Aufnahmen lange nicht sehen, weil die Filme erst entwickelt werden müssen.
Tews: Ja und nein! Normalerweise dauert das Entwickeln zwei Monate, weil es heute in Deutschland nur noch eine Firma gibt, die das macht. Aber bei uns gibt an diesem Wochenende Dagie Brundert einen Workshop. Sie ist für mich seit ihrem legendären Super-8-Film „23 Barbiepuppen kippen um“ von 1988 die Super-8-Queen von Deutschland. Dagie entwickelt ihre Filme selber, und weil sie nicht mit Chemikalien arbeiten wollte, hat sie ein Verfahren erfunden, um Filme mit Gemüsebrühe oder Kaffeesud zu entwickeln. Das bringt sie am Samstag auf ihrem Workshop den Teilnehmer*innen bei, die dann selber Film drehen und entwickeln werden. Die Filmstreifen trocknen dann über Nacht auf einer Wäscheleine und die Filme werden am Sonntag im Kino gezeigt.
taz: Und am Freitag gibt es ein Programm mit Super-8-Filmen, die extra für diese Veranstaltung gedreht wurden?
Super-8-Wochenende „Radikal analog“, 29. 11., 19 Uhr, bis 1. 12. nachmittags im City 46, Bremen. Für den ganztägigen Workshop am 30. 11. ab 10 Uhr ist eine Anmeldung unter info@filmbuero.de erforderlich
Tews: Ja, wir haben verschiedene Künstler*innen dazu eingeladen, im September und Anfang Oktober Super-8-Filme zu drehen, und zwar mit dem Thema „Super 8 trifft Kafka“. Sie belichteten jeweils eine Filmkassette mit einem Stummfilm, der genau 3 Minuten und 15 Sekunden lang ist.
taz: Sind die Filme nicht auch für die Filmmacher*innen selbst wie Wundertüten, weil die entwickelten Filme an diesem Abend zum ersten Mal überhaupt gezeigt werden?
Tews: Ja, und dazu wird dann auch noch Live-Musik gespielt.
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