das wird: „Die Regeneration des Moors bekommen wir alle nicht mehr mit“
Einblick in die bedrohte Schönheit des Becklinger Moors verschafft Simone Groothuis den Besuchern durch geführte Touren
Interview Benno Schirrmeister
taz: Frau Groothuis, führen Sie die Leute durchs Becklinger Moor bei Bergen, damit keiner versinkt?
Simone Groothuis: So ein Unsinn. Diese Gefahr besteht natürlich nicht mehr. Die Wege sind fest, und wer heutzutage durchs Becklinger Moor zieht, möglicherweise noch mit dem Fahrrad, der läuft eher Gefahr, gar nicht wahrzunehmen, dass er durchs Moor kommt. Ich führe dadurch, um die Schönheit unserer Pflanzen- und Tierwelt zu zeigen, die leider sehr stark durch den Klimawandel bedroht ist. Diese alte Vorstellung vom Moor, das sumpfig und auch schaurig ist, entspricht kaum noch der Wirklichkeit.
Das Moor war wegen dieser Bilder immer etwas Unheimliches und Feindliches und ist lange regelrecht bekämpft worden …
Ja, es war für die Leute damals eine tote Fläche. Um die landwirtschaftlich nutzen zu können, hat man es trockengelegt.
Wann?
Generell sind in den 1950er-Jahren besonders viele Flächen trockengelegt worden, weil nach dem Zweiten Weltkrieg Lebensmittelknappheit herrschte. Man brauchte Nahrung. Das Becklinger Moor wurde noch in den 1960er-Jahren trockengelegt. Jetzt wird es wieder vernässt: Seit 1985 steht das Moor hier unter Naturschutz und 1997 ist es auch in das europäische Schutzprogramm „Natura 2000“ aufgenommen worden.
Und trotzdem ist es noch nicht komplett wiederhergestellt?
Das ist ein sehr langwieriger und mehrstufiger Prozess. Erst musste das Land Niedersachsen die Flächen erwerben. Die Vernässung dauert vielleicht ein paar Jahre: Hier sind von 2006 bis 2012 rund 42 Kilometer Gräben abgedichtet worden, durch die das Wasser dem Moor entzogen worden war – ich sage immer: eine Marathonstrecke. Dann kommt die Renaturierung – da muss man schon in Jahrzehnten rechnen. Und die Regeneration bekommen wir alle nicht mehr mit: Das ist eine Frage von Jahrhunderten.
Und trotzdem gibt es schon etwas zu sehen?
Aber ja! Die Moorpflanzen wie die Torfmoose und Moorbirke sind auf jeden Fall da. Und gerade das Frühjahr jetzt ist die schönste Jahreszeit, wenn die Pflanzenwelt erwacht, die Wollgrasfruchtstände sich weiß vom dunklen Boden abheben, die Gagelsträucher blühen – und auch noch nicht so viele Mücken da sind. Neulich hatte ich mit einer Gruppe sogar Glück, da sind wir einer Kreuzotter beim Häuten begegnet. Natürlich sieht man auch Kraniche, die hier brüten.
Stören Sie die nicht?
Naturkundlicher Spaziergang durchs Moor, Treffpunkt: Imbiss am Funkturm, Becklinger Str. 2 (B 3), Anmeldung ☎0176-32 19 38 20 oder Mail an s.groothuis@t-online.de, 28. 5. und 4. 6., jeweils 14 Uhr
Nein, wir stören die Vögel nicht: Wir beobachten nur. Und wir bleiben dafür selbstverständlich auf den Wegen und kommen daher auch nicht dorthin, wo sie brüten.
Es ist also keine Querfeldein-Wanderung?
Nein, das wäre auch zu recht verboten. Die Tour ist auch keine Wanderung, sondern eher ein geführter Spaziergang von ungefähr 2,5 Kilometern Strecke, den auch Kinder und ältere Menschen gut bewältigen können.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen