das wichtigste : Blair geht – irgendwann
Der britische Premier sagte gestern erstmals, wann er zurücktreten wird: innerhalb von zwölf Monaten
DUBLIN taz ■ Er wird gehen, und zwar binnen der nächsten zwölf Monate. Ein genaueres Datum für seinen Rücktritt nannte der britische Premier Tony Blair auch gestern nicht. Mit seiner Erklärung, so sagte Blair nachmittags beim Besuch einer Schule im Norden Londons, wolle er allen Spekulationen ein Ende bereiten.
Das ist ihm freilich nicht gelungen. Abgeordnete, politische Kommentatoren und die Presse stellten neue Mutmaßungen auf. Am wahrscheinlichsten erscheint die Theorie, dass Blair im Mai kurz nach seinem zehnjährigen Amtsjubiläum und nach den Wahlen in Schottland und Wales, bei denen Labour wohl eine schwere Schlappe erleiden wird, als Parteichef zurücktreten wird. Sein Nachfolger könnte dann bis Anfang Juni gewählt werden und in Downing Street einziehen. Der Favorit, Schatzkanzler Gordon Brown, sagte gestern, er unterstütze Blairs Entscheidung, warnte ihn aber zugleich, dass die Zeit der „privaten Arrangements“ endgültig vorbei sei. Tatsächlich geht es um persönliche Eitelkeiten. Politisch bestehen nur geringe Unterschiede zwischen Blair und Brown, doch der Streit um ein angeblich 1994 getroffenes Abkommen, wonach Blair zugunsten Browns abtreten soll, schwelt seit Jahren. In den letzten Tagen brach er offen aus. Vorgestern kam es zum Wortgefecht zwischen den Kontrahenten in Blairs Amtssitz, bei dem sich die beiden zwei Stunden lang anschrien. Der Guardian zitierte einen Mitarbeiter Blairs, der Brown der Erpressung bezichtigte: „Das ist eine von langer Hand geplante, gut koordinierte Kampagne, die von einem Mann organisiert worden ist: Gordon Brown.“
RALF SOTSCHECK