das wetter: Blutiges Handwerk
„Lecker Motetten!“, pries Gesualdo die Ware an, während er den Karren durch die Gassen zog. Schauerlich hallte der Sterbegesang der armen Motetten von den Hauswänden, als Gesualdos Motettenmeister, der mit befleckter Schürze über den Fangkorb gebeugt stand, sein Messer in silbrige Leiber flutschen ließ, um sie bis auf die letzte Note auszunehmen. Der Meister mochte ein grober Klotz sein, dem Schönheit wenig galt, doch sogar diesen Grobian fasste das blutige Handwerk an, dass er abends dem Branntwein verfiel. Doch bevor er niedersank, öffnete der Motettenmeister den Mund und sang derart betörend, dass bedeutende Herren mit klingender Münze dafür zahlten, dem fast Besinnungslosen zu lauschen. Bald war Gesualdo so reich, dass er einen Schoner ausrüstete, um Madrigale zu fangen. Motetten jedoch rührte er nie wieder an.
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