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das wetter: der prophet

Der Prophet hatte die Augen nach oben verdreht, bis nur noch die von dünnen roten Äderchen durchzogenen weißen Augäpfel zu sehen waren. Er zuckte in Ekstase mit den Gliedmaßen, wild schüttelte er den Kopf hin und her, dass der lange Bart und die wirren Haare nur so flogen. Und er hatte Schaum vor dem Mund. Noch hatte er nichts prophezeit, und die umstehenden Gläubigen wurden langsam ungeduldig und scharrten unruhig mit den Füßen. Da – endlich – fing der Prophet zu prophezeien an, langsam, stammelnd nur, aber doch deutlich vernehmbar: „Ja ... ja! Ja, Herr, ich sehe es, ich kann es sehen! Ich sehe Wolken, dunkle graue Wolken. Es sind Regenwolken, nein – halt – kein Regen, kein Regen! Ich sehe Schneeflocken, ja, es wird irgendwann schneien! Und – die Temperaturen werden sinken! Mein Gott, es wird kälter werden – und Hagel! Ich sehe taubengroße Hagelkörner vom Himmel fallen und die Autos der Ungerechten verbeulen!“ Die Umstehenden applaudierten und zogen beeindruckt ihrer Wege.

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