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das portraitVietnams Schönheitskönigin Nguyen Thuc Thuy Tiensitzt in Haft

Foto: Youtube

Die Haftbedingungen in Vietnam sind hart. Bis zu 50 Personen teilen sich eine Zelle. Für Kleidung und Medikamente müssen die Angehörigen sorgen – falls die eine Besuchs­erlaubnis bekommen. Ob man Zugang zu Anwälten oder Ärzten hat, hängt von der Willkür der Haft­anstalt oder der Provinzverwaltung ab. Schwer vorstellbar, dass eine Frau, die einen internationalen Schönheitswettbewerb gewonnen hat, unter solchen Umständen lebt. Und doch sitzt Nguyen Thuc Thuy Tien, die 26-jährige Miss Grand International von 2021, seit wenigen Tagen in Vietnam in Polizeigewahrsam. Der Vorwurf: Verbrauchertäuschung. Eine Anklage gibt es bislang noch nicht.

Thuy Tien wuchs als Scheidungskind auf, was in Vietnam eher selten vorkommt und für schwierige Lebensbedingungen in ihrer Kindheit spricht. Sie musste als Schülerin jobben, hat aber einen Masterabschluss als Hotel- und Restaurantmanagerin erworben und spricht fließend Englisch und Französisch. Sie beteiligte sich erfolgreich an in Vietnam sehr populären Schönheitswettbewerben und wurde 2021 in Thailand zur Miss Grand International gekrönt.

Die selbstbewusste und wortgewandte Frau wurde in Vietnam sehr prominent, avancierte zum Prototyp einer modernen unabhängigen Vietnamesin und konnte sich ausgezeichnet in der Werbewirtschaft vermarkten. Vietnamesischen Medien zufolge soll sie als Influencerin und Botschafterin nationaler und internationaler Marken zwischen 2 und 3 Millionen US-Dollar verdient haben. Thuy Tien bekam die Hauptrolle in einem noch nicht fertig produzierten Film. Sie engagierte sich aber auch als Gesicht von Wohltätigkeitsveranstaltungen und erhielt Auszeichnungen der Regierung.

Ihr nun zu Last gelegtes Vergehen: Sie hatte auf Social-Media-Kanälen für ein gefälschtes Ballaststoffpräparat geworben. Die süß schmeckenden Gemüsebonbons sollten angeblich so viele Ballaststoffe enthalten wie ein ganzer Teller voll Gemüse. Bei Test stellte sich heraus, dass sie jedoch weniger als ein Zehntel der beworbenen Ballaststoffe enthielten. Die Ermittler werfen der Frau vor, nicht nur für die Gemüsebonbons geworben zu haben, sondern auch 30 Prozent Anteile an der Firma zu halten, die diese produziert. Sie bestreitet das und erklärt, sie habe lediglich einen Werbevertrag unterschrieben. Die beiden Firmeninhaber sitzen ebenfalls in Polizeihaft. Hinweise auf politische Motive hinter dem harten Vorgehen gibt es bislang nicht.

Die Festnahme der populären Schönheitskönigin reiht sich allerdings ein in eine Reihe von Festnahmen eher unpolitischer InfluencerInnen in Vietnam. So wurde vor wenigen Wochen ein populärer Motorradakrobat inhaftiert wegen Verstößen gegen Verkehrsregeln, obwohl er seine Kunststücke auf nichtöffentlichem Gelände aufgenommen und gefilmt hatte. Die Regierung will sagen: Wir schauen auf die Influencer. Sie können nicht alles tun.

Die Zeitung Vietnamplus sprach im Zusammenhang mit der Festnahme von Nguyen Thuc Thuy Tien von einer „bedauerlichen und teuren Lektion für die junge Generation im heutigen digitalen Zeitalter“, Der Parlamentsabgeordnete Nguyen Minh Duc sagte: „Berühmtheiten, die in der Gesellschaft Ansehen genießen, müssen ihre Integrität noch stärker unter Beweis stellen.“ Er forderte zudem, Prominente oder andere Personen müssten bei der Unterzeichnung von Werbeverträgen dafür verantwortlich sein, das Produkt zu prüfen und ­Dokumente anzufordern, die sich auf die ­Standards und die Qualität des Produkts ­beziehen. Marina Mai

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