das portrait: Für die Rückkehr des Spektakels sorgt Niclas Füllkrug
Die derzeit wohl meistdiskutierte Frage in der deutschen Fußballwelt lautet, ob Niclas Füllkrug mit zur kommenden Weltmeisterschaft reisen soll. Dass die Frage über Werder Bremens Mittelstürmer von vielen Fans und Experten mit Ja beantwortet wird, liegt an seiner Leistung: Mit acht Toren führt er die Torschützenliste der Bundesliga an. Seine Präsenz auf und neben dem Platz macht ihn zur Symbolfigur für das Revival offensiven Fußballspektakels an der Weser. Mit Platz fünf nach neun Spielen träumen die Anhänger schon von der Rückkehr ins internationale Geschäft.
Von all dem waren Füllkrug und Werder weit entfernt, als der heute 29-Jährige im Frühjahr 2019 das zweite Mal bei Werder anheuerte. Die Grün-Weißen konnten ihn sich nur leisten, weil sein Marktwert nach langer Verletzungspause deutlich gesunken war. Die Zahlung von immerhin noch sieben Millionen Euro an Hannover 96 hielten viele angesichts seiner Krankheitsakte für riskant. In den ersten beiden Spielzeiten, die mit dem Abstieg endeten, stand er dann verletzungsbedingt auch nur selten auf dem Platz.
Eine lange Verletzungspause hatte auch 2013 dazu beigetragen, dass Werders Verantwortliche nicht mehr an ihr großes Nachwuchstalent glaubten, das als 14-Jähriger aus Ricklingen zu ihnen gekommen war und erst nach Fürth verliehen und dann an den 1. FC Nürnberg verkauft wurde.
Dass „Fülle“ jetzt Werders erster deutscher Nationalspieler seit Max Kruse werden könnte, liegt zum einen daran, dass er seit Langem verletzungsfrei ist. Eine entscheidende Wegmarke setzte er aber auch mit einer Aktion außerhalb des Spielfeldes. Als der damalige Trainer Markus Anfang ihn zu Beginn der vergangenen Aufstiegssaison aufgrund starrer taktischer Vorstellungen nicht aufstellte, ließ Füllkrug seinen ganzen Frust in einem lautstarken Zoff mit Sportchef Clemens Fritz ab. Danach wurde er intern für drei Trainingstage gesperrt und rettete am Spieltag darauf als Einwechselspieler einen Punkt.
Seitdem stand er saisonübergreifend in 31 Spielen, von denen Werder nur fünf verlor, bis auf drei Minuten immer auf dem Platz. Gemeinsam mit Sturmpartner Marvin Ducksch verkörpert er Werders neuen Offensivgeist. In Bremen wird das Sturmduo fast nur noch „die hässlichen Vögel“ genannt – ein Spitzname, den Füllkrug selbst erfunden hat. In der Kabine trägt der Mann mit der markanten Zahnlücke zu dem Reizklima bei, das der Mannschaft guttut, nachdem sie den vorherigen Niedergang fast lautlos über sich ergehen lassen hatte. Durch seine Direktheit ist in der Mannschaft eine Gruppendynamik spürbar, der Trainer Ole Werner genügend Raum zur Entfaltung lässt.
Zum Thema Nationalmannschaft äußerst sich Füllkrug bislang sehr zurückhaltend. Er hat genug Fürsprecher, die ihn auf der Position des klassischen Mittelstürmers aktuell für den Besten in Deutschland halten. Nur der Bundestrainer druckst noch rum. Nach dem 2:1-Sieg am vergangenen Freitag in Hoffenheim, zu dem Füllkrug eine Vorlage und ein Elfmeter-Tor beisteuerte, sagte Hansi Flick über ihn: „Er bringt eine gewisse Qualität mit, die wir so in der Form nicht haben.“ Ralf Lorenzen
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