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das portraitSchaharsad Akbarwird Afghanistansneue Menschen­rechtschefin

Foto: Twitter.com

Es war am späten Mittwochabend als Afghanistans Präsident Aschraf Ghani die 1987 in Aktscha geborene Zivilgesellschaftsaktivistin zur Nachfolgerin von Sima Samar ernannte. Letztere ist inzwischen weltweit bekannt und mit dem Alternativen Nobelpreis hoch geehrt. Das aus neun Mitgliedern bestehende Gremium der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC), dem Schaharsad Akbar nun vorsteht, gehört zu den wichtigsten Errungenschaften der ansonsten inzwischen weitgehend versandeten Demokratisierung des Landes.

Schaharsad Akbar ist gebildet, eloquent, wirkt sympathisch und offen. Das kommt nicht von ungefähr. Im bescheidenen, aber bis unters Dach mit Büchern gefüllten Haushalt der Familie, nun in Kabul ansässig, wurde viel diskutiert; saß Akbar mit ihren beiden Schwestern und den Eltern oft mit Gästen beim Essen zusammen. Das ist noch heute selbst in fortschrittlichen afghanischen Familien eher selten. Vater Ismail Akbar war ein bekannter Linksaktivist, der zeitweise mit der Waffe, aber meist als Autor gegen die sowjetische Besatzung (1979–89) und für Demokratie kämpfte.

2011 machte Schaharsad Akbar als erste Afghanin in Oxford, einen Master in Entwicklungsstudien. 2012 stieß sie zur neuen Jugendbewegung Afghanistan 1400. Die versuchte, die Dominanz der Patriarchen in der politischen Kultur des Landes zu durchbrechen. Alle arbeiteten ehrenamtlich, auch sie als Vorsitzende. 2014 wurde Akbar Landesdirektorin von Open Society Afghanistan, einem Ableger der Stiftung des Philantrophen George Soros. Drei Jahre später ging sie als Beraterin Ghanis für Entwicklungsfragen in die Politik. 2018 wurde Akbar Vizechefin des Nationalen Sicherheitsrates. Anfang Juli noch saß sie mit ihrem zweimonatigen Sohn in Katar an einem Tisch mit den Taliban, um Verhandlungen zu einer Beendigung des 40 Jahre andauernden Kriegs in ihrem Heimatland anzustoßen. Diese Position könnte politisch sogar einflussreicher gewesen sein als nun der AIHRC-Vorsitz.

Die Einrichtung der afghanischen Menschenrechtskommission hatte die Afghanistan-Konferenz 2001 in Bonn beschlossen. Sie soll die Menschenrechtslage überwachen, Verletzungen untersuchen und innerstaatliche Fachinstitutionen aufbauen. 2004 publizierte die Kommission den Bericht „Ein Ruf nach Gerechtigkeit“. Ihm zufolge lehnte damals eine Bevölkerungsmehrheit einen Schlussstrich unter die Bürgerkriegsverbrechen ab. Die Warlords wehrten sich und drückten im Parlament eine Amnestie durch. Unter Akbars Vorgängerin Samar verlor die AIHRC an Einfluss. Doch nicht wegen ihr: Der damalige Präsident Karsai setzte ihr zwei Mullahs als Verhinderer in das Konsens-Gremium.

Inzwischen sind auch Akbars acht andere Kollegen ernannt – alle sind neu, viele sind Menschenrechtler oder Juristen. Nur einer ist ein schiitischer, möglicherweise liberalerer Mullah. Die AIHRC könnte unter Schaharsad Akbar also wieder einflussreicher werden.

Thomas Ruttig

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