piwik no script img

das portraitJohn Neumeierdenkt nicht ans Aufhören

Wäre die kleine Flunkerei nicht irgendwann aufgeflogen, würde John Neumeier dieses Jahr wohl erst seinen 77. Geburtstag feiern. Denn um seine Ausbildung an der Londoner Royal Ballett School in den 60ern – und somit seinen Traum Tänzer zu werden – nicht zu gefährden, verjüngte der US-amerikanische Choreograf sich kurzerhand um drei Jahre. So aber feiert der Ballettdirektor, der seit 1973 in Hamburg lebt, am Sonntag seinen 80. Geburtstag.

Geboren wurde Neumeier am 24. Februar 1939 in Milwaukee. Mit elf Jahren entdeckte er ein Buch über den russischen Tänzer Vaslav Nijinsky. „Da habe ich verstanden, dass die Menschen auf der Bühne echte Menschen sind“, sagt er. Gut 50 Jahre später widmete er Nijinsky eine eigene Choreografie, die sich vor allem um das Innenleben des Tänzers drehte.

Die Bindung zu seinen Protagonist*innen spielt in allen seinen Stücken eine große Rolle. „Mit dem Tanz spüre ich dem nach, was mit Worten nicht gesagt werden kann“, erklärt Neumeier. Mit 30 Jahren wurde er in Frankfurt am Main Deutschlands jüngster Ballettdirektor. Seitdem versucht er „das, was ich spüre, so zu vermitteln, dass die Menschen berührt sind“.

Seine Musikwahl ist mutig bis eigenwillig. Seine bekanntesten Stücke choreografierte er zu Bachs „Mätthauspassion“, diverse Sinfonien von Mahler und Beethoven. Künstler, deren musikalische Werke an sich schon so überladen sind, dass sie lange als untanzbar galten – bis Neumeier sie eben tanzen ließ.

Seit 2007 ist Neumeier Ehrenbürger der Stadt Hamburg. Über Hamburg soll er einmal gesagt haben, dass er es ganz gern möge, es ihm im Winter aber ein wenig zu dunkel sei. Trotzdem ist er geblieben und ist schon jetzt der weltweit dienstälteste Chef einer Ballettkompanie. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Erst voriges Jahr hat er seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Seinen Geburtstag feiert er mit seiner autobiografischen Ballettgala „The World of John Neumeier“. Jana Eggemann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen