das ding, das kommt: Digitalisierte Helikopter-Schüler
Musizieren lernen ist schön. Bedeutet aber viel Arbeit. Das aufmerksame Hören zum Beispiel; auch das Bemerken eigener Fehler und das Auf-Nuancen-Achten gehören dazu.
Dass die Digitalisierung diese Kulturtechniken nicht gerade stärkt – Studien zufolge ist Online-Unterricht weniger effektiv –, scheint nicht neu. Trotzdem hat Hamburgs Kulturbehörde entschieden, diesen Weg weiterzugehen und auf den Instrumentalunterricht auszudehnen. Ein „spannender weiterer Baustein unserer Digitalisierungsstrategie“ sei die neue Lernplattform KON-Plug-in, schwärmt Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Konkret sollen Musikschüler zwischen den wöchentlichen Live-Musikstunden Aufnahmen ihres häuslichen Übens an die Lehrer schicken und Feedback einfordern. So stellten sie sicher, dass ihr Üben in die richtige Richtung gehe, so die Behörde.
Jetzt folgen auf die Helikopter-Eltern, die nonstop um ihre Kinder schwirren, Helikopter-Musikschüler. Die fallen ihrem Lehrer dann täglich mit ihrem Cello-Geschrammel auf den Wecker, um zu erfahren, ob sie alles richtig machen. Im Klartext bedeutet das eine systematische Erziehung zu Unselbstständigkeit und Autoritätsgläubigkeit wie zu Kaisers Zeiten.
Zudem befördert dieses Prozedere jenen Selbstoptimierungswahn, der keine Umwege kennt und jede Frustrationstoleranz erstickt. Das gilt auch für den Faktor Zeit. Endlich, jubelt Brosda, müssten die Schüler nicht mehr eine Woche bis zum nächsten Unterricht auf Feedback warten!
Bizarr: Ausgerechnet ein Kultursenator empfindet das – von Kreativen aller Zeiten als Inspirationsquelle geschätzte – Warten als Übel. Dabei ist das einzige Wesen, dem man bedingungslose Sofortness zugesteht, das Baby. Nicht aber jungen Leuten, die man zu stabilen Erwachsenen erziehen will.Petra Schellen
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