das ding, das kommt: Das Kreuz mitdem Hakenkreuz
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Bis nach Niedersachsen schallte die Alarmglocke, die im pfälzischen Herxheim geläutet wurde. Seit mehr als 80 Jahren erklang aus der dortigen Jakobskirche eine Glocke mit Hakenkreuz-Relief und der Aufschrift: „Alles fuer’s (sic!) Vaterland – Adolf Hitler“. Viele Gemeindemitglieder wussten davon, kontrovers diskutiert wurde aber erst seit ein paar Monaten. Irgendwann wurden dann diverse Medien aufmerksam, und im September trat Herxheims Bürgermeister Roland Becker zurück. Zuvor hatte er im ARD-Magazin „Kontraste“ gesagt, dass man im Ort stolz sei, eine Glocke mit dieser Inschrift zu haben. Damit aber nicht genug: Mit Hitler würden „immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten“ verbunden, auch das polterte er in die Kamera – dabei gebe es doch „auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir heute noch benutzen“.
In Niedersachsen stellte die evangelische Landeskirche Hannover daraufhin einen Suchauftrag an Gemeinden, und zwei wurden fündig: In der Kreuzkirche in Schweringen (Landkreis Nienburg) fand sich eine 1934 gegossene Glocke mit einem 35 mal 35 Zentimeter großen Hakenkreuz. Die ist nun stumm, weil man dort nicht mit einer Glocke zum Gottesdienst rufen möchte, die das Symbol für millionenfachen Massenmord trage, sagte der Superintendent des Kirchenkreises, Martin Lechler.
Auch in der Michaelkirche in Faßberg-Müden (Kreis Celle) wurde so eine Nazi-Glocke gefunden, kleiner als die Schweringer, aber ein Hakenkreuz ist eben auch darauf: zwei mal zwei Zentimeter groß. Und anders als in Schweringen weiß die Gemeinde schon seit Jahren von dem Nazi-Klangkörper – und weist in Broschüren und bei Führungen auch darauf hin. Dennoch sah man sich nun aber doch noch mal zu einer Stellungnahme genötigt, und auch in FaßbergMüden schweigt die Glocke seit September, wegen ohnehin geplanter Reparaturen.
Aber sie soll wieder läuten dürfen, so wurde es entschieden. Denn weder eine Stilllegung noch ein Austausch der Glocke wären für Pastor Rudolf Blümcke ein angemessener Umgang mit der Geschichte. Neben der Glocke stammt nämlich auch die Kirche, ach was: der ganze Ort aus der Nazizeit, war Anhängsel des Fliegerhorstes Faßberg. „Wenn wir ganz konsequent den Einfluss der Nationalsozialisten in dieser Kirche beseitigen wollten“, sagt Blümcke, „dann müssten wir die Kirche abreißen und neu bauen“.
Also wollen sie in Faßberg die Aufregung zum Anlass nehmen, sich dieser ganz spezifischen Geschichte zu stellen. Und der vermaledeiten Nazi-Glocke etwas entgegensetzen: eine weitere, kleinere Glocke – darauf ein Zitat des von den Nazis ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer. (matt)
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