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Warum hat Italien im Bahnvierer gewonnen? Es könnte an einem Klebeband liegen
Reden wir noch einmal über den dänischen Bahnvierer. Der hat zwar das Finale in der Verfolgung über 4.000 Meter gegen Italien verloren, war aber das auffälligste Team, das an diesem Wettbewerb teilgenommen hat. Das lag gewiss auch an dem spektakuläres Crash im Halbfinale gegen Großbritannien, als der Däne Frederik Rodenberg den Briten Charlie Tanfield über den Haufen gefahren hat. Er hatte ihn einfach nicht gesehen, hatte nicht wahrgenommen, dass der direkt vor ihm fuhr. Er hat überhaupt nicht nach vorne geschaut, um seine aerodynamische Position nur bloß nicht aufzulösen.
Und darauf kommt es beim Radfahren auf der Bahn gegen die Zeit schließlich in erster Linie an – die Luftströme so ungebrochen wie möglich über sich herziehen zu lassen. Die Sitzposition auf dem Rad, das Rad selbst, der hautenge Rennanzug, die Schuhe und der Helm, als das ist darauf ausgerichtet, so wenig Luftwiderstand wie möglich zu bieten. Den Dänen war das offenbar nicht genug. Auf der Suche nach weiteren Optimierungen haben sie die Scheinbeine ihrer Fahrer als Problemzonen ausgemacht. In der Qualifikation haben sie den vier Fahrern Kinesiotapes auf die Beine geklebt. Direkt auf die Haut.
Stephen Parks, der Teamchef der Briten, hatte so eine Idee, warum die Dänen das getan hatten. Weil ja schlecht bei allen vier Fahrern an der gleichen Stelle eine medizinische Indikation für das Anbringen eines therapeutischen Klebebands vorliegen konnte, ging es wohl um die Verbesserung der Aerodynamik. Parks studierte das Regelbuch, fand einen Passus, indem festgeschrieben ist, dass man nichts einfach so auf die Haut kleben darf und forderte die Disqualifikation der Dänen. Zu einer solchen kam es zwar nicht, aber Rasmus Lund, Lasse Norman Hansen, Frederik Rodenberg und Niklas Larsen fuhren die folgenden Rennen ohne die Klebebänder auf den Schienbeinen, die nun Aero-Tapes genannt wurden.
Und so kann es gut sein, dass Italiens Vierer das Finale auch deshalb gewonnen hat, weil man den Dänen ihren kleinen, aerodynamischer Vorteil genommen hatte. 166 Tausendstelsekunden waren die Italiener am Ende schneller als ihre Gegner. Sie scheinen von Natur aus aerodynamischere Schienbeine zu haben. Oder sie waren einfach besser. Wer weiß das schon? Andreas Rüttenauer
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