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das aufregende am backen von GERHARD HENSCHEL

Es war einmal ein Bäcker, dem die Berliner Schrippen zum Halse heraushingen. Er vertrat die Ansicht, dass Brot und Brötchen etwas Heiliges seien, und er wollte das Backen wieder in den Rang einer schönen Kunst erheben. Da kam Ende März 2000 ein Reporter der Bäckerblume des Wegs und interviewte den Bäcker. Reporter: „Wie kann ein gutes Brot entstehen?“ Bäcker: „Der Prozess des Brotbackens besteht darin das Material zu filtern und dafür mein eigenes Rezept zu finden...“ Reporter: „Warum ist Berlin kein guter Platz zum Backen?“ Bäcker: „Das Aufregende am Backen ist, dass man sich darauf konzentrieren kann und sich eine Zeit lang in so einen kleinen Mikrokosmos verabschieden kann. Das ist in Berlin meistens sehr schwierig zu organisieren. Ich habe wie jeder andere Mensch auch einen Alltag, und der passt nicht zum Prozess des Backens...“

Diesen komischen Bäcker, dachten da die Leser der Bäckerblume, werden wir mal lieber boykottieren. Wer so närrisch vom „Prozess des Backens“ babbelt, dachten sie, der stellt im Mikrokosmos seiner Backstube bestenfalls Sprechblasen und Windbeutel her, aber kein Brot für die Welt.

Wenn dieser Bäcker wirklich ein Bäcker gewesen wäre, hätte er seinen Laden bald dichtmachen können, aber er war gar kein Bäcker, sondern ein Schriftsteller namens Tim Staffel. Er war auch nicht von der Bäckerblume befragt worden, sondern von der jungen Welt, und er hatte sich nicht übers Backen geäußert, sondern übers Schreiben.

Vom aufregenden Prozess des Backens schwärmenden Bäckern würde man ebensowenig über den Weg trauen wie den Prozess des Ofensetzens glorifizierenden Ofensetzern. Aber manchen Schriftstellern wird der Schmus vom aufregenden Prozess des Schreibens im Mikrokosmos ihrer 3 ZKB-Wohnung immer noch abverlangt und abgekauft. „Wie kann ein guter Roman entstehen?“, hatte die junge Welt Tim Staffel gefragt, und er hatte erwidert: „Ich versuche, ziemlich genau hinzugucken, und das benutze ich als Material. Der Prozess des Buchschreibens besteht dann darin, das zu filtern und dafür meine eigene Sprache zu finden und mit den Sachen zu hantieren, die mich berühren und von denen ich hoffe, dass das auch eine gesellschaftliche Relevanz hat und andere Menschen berührt.“ Wie Schriftsteller eben so daherreden, die ihre Arbeit nicht als Handwerk verstehen, sondern als Hexerei: Da wird hinzugucken versucht, gefiltert, gefunden, hantiert und gehofft und berührt. In seiner sterbenslangweiligen Zeit-Kolumne hat Tim Staffel ein Jahr lang demonstriert, dass ihm jedes schriftstellerische Talent fehlt. Auf mehr als 50 Farbfotos hat er jedoch bewiesen, dass er sich interessant zu frisieren versteht, verschiedene Hosen besitzt und in der Lage ist, eine Sonnenbrille fachmännisch zu tragen. Damit und mit seinen Schwadronaden vom aufregenden „Prozess des Schreibens“ ist es Staffel nun sogar gelungen, den Reporter einer marxistischen Tageszeitung zu bezirzen.

Alle Achtung. Auch die Hochstapelei ist eine Kunst, und man darf gespannt erwarten, wie weit es der in dieser Disziplin hochbegabte Künstler Tim Staffel noch bringen wird, bevor ihn das Schicksal dazu zwingt, einen Beruf zu erlernen, der gesellschaftliche Relevanz hat, zum Beispiel Bäcker oder Ofensetzer.

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