csd in köln : Politische Eintagsfliege
Am 27. Juni 1969 machten Polizisten eine gewalttätige Razzia in einer schwullesbischen Kneipe in der Christopher Street, New York. Es folgten tagelange Straßenschlachten und Demos. Zum ersten Mal wehrten sich Schwule und Lesben aktiv und dauerhaft gegen äußere Gewalt und Polizeiwillkür. Das „Stonewall-Inn“ wurde zum Ausgangspunkt einer weltweiten Emanzipation der Homosexuellen-Bewegung. Von diesem Geist ist beim diesjährigen Christopher-Street-Day leider wenig zu spüren. Für viele Paradeteilnehmer bedeutet die Veranstaltung vor allem eins: Eine große Party zu feiern, inklusive Loveparade-Feeling und Provokation der „Heten“. Zwar gab es am Samstag ein paar Podiumsdiskussionen. Aber gestern versank das Politmotto in der Feier-Euphorie.
KOMMENTAR VON GESA SCHÖLGENS
Dabei ist die Parade keineswegs politisch unnötig geworden. Zwar fliegen in diesem Land keine Steine auf homosexuelle Demonstranten wie in Russland, auch haben wir keine Regierung wie in Polen, die offen gegen gleichgeschlechtliche Liebe polemisiert. Aber noch immer steht etwa ein deutsches Antidiskriminierungsgesetz aus, das es verbietet, einen Menschen aufgrund seiner sexuellen Orientierung zu benachteiligen. Noch immer kommt es zu Gewalt gegen Homosexuelle und zu ihrer Ausgrenzung.
Die Politik muss also wieder näher an das alljährliche Regenbogenspektakel heranrücken – und in das Bewusstsein der Feiernden. Allerdings müssen die Politiker auch konkrete Forderungen aussprechen. Es kann nicht sein, dass sie sich wie die Sozialdemokratin Lale Akgün die Kölner Parade zu eigen machen, um einmal im Jahr medienwirksam für die Rechte von Homosexuellen und mehr Toleranz zu trommeln. Es fehlt an Durchsetzungswillen und neuem politischen Esprit – und häufig auch an Kenntnis der Szene. Vorraussetzung bleibt aber auch, dass Schwule und Lesben außerhalb des Christopher-Street-Days wieder verstärkt für ihre Interessen kämpfen.