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Archiv-Artikel

christoph schultheis „Bild“ kennt keine Grenzen

Wie eine falsche Todesanzeige die „Bild“-Zeitung ihr wahres Gesicht zeigen lässt

„Witzischkeit kennt keine Grenzen“ heißt ein Lied, das der TV-Komiker Hape Kerkeling Anfang der 90er-Jahre zusammen mit der hessischen Bembellegende Heinz Schenk aufgenommen hat. Musikalisch lädt das Lied zum Mitschunkeln ein, doch Verse wie „Keift zu Hause deine Alte / schmeiß Sie in ’ne Gletscherspalte“ sprechen eine andere Sprache. Und nach der x-ten Wiederholung will auch der Refrain („Witzischkeit kennt keine Grenzen / Witzischkeit kennt kein Pardon …“) nicht mehr so rischtisch witzisch klingen. Dennoch: Wer den Song einmal gehört hat, bekommt ihn so schnell nicht aus dem Kopf. Fast schon ein geflügeltes Wort ist daraus geworden, eine Art Redensart.

Eine andere Witzischkeit, die keine Grenzen kennt, stand kürzlich in der FAZ. Da hatte doch tatsächlich jemand in der Silvesterausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Todesanzeige aufgegeben, die, wie sich hernach herausstellte, nur ein übler Scherz war. Der Totgesagte, ein 65-jähriger Kunstgeschichtsprofessor, lebt nämlich noch, weshalb die FAZ am letzten Freitag flugs einen Widerruf druckte, in dem es hieß, die Anzeige sei „das Werk einer geschmacklosen Betrügerin“ – und, sichtlich zerknirscht: „Wir bedauern dies!“

Doch nicht zuletzt, weil all das ja schon in dieser Zeitung und anderen Zeitungen vermeldet stand, soll uns die bedauerliche Angelegenheit hier nicht weiter beschäftigen. Grenzenlose Witzischkeiten gibt es viele. Und Redensarten wie die von der grenzenlosen Witzischkeit auch: „Bild sprach zuerst mit dem Toten“ zum Beispiel ist so ein Satz und Inbegriff gutbürgerlicher Sensationsberichterstattungskritik, der auf Provinzkabarettbühnen und in Internetforen noch immer gern zum Einsatz kommt.

Und nicht nur dort: So ließ es sich – unter Verwendung einschlägiger Begriffe wie „Pornobriefe“, „Morddrohungen“, „Rache“ und „Toastbrot“ – auch die Bild-Zeitung nicht nehmen, über die Todesanzeigenangelegenheit in der FAZ zu berichten. „Morgens beim Frühstück erfuhr der berühmte Professor von seinem Tod“ hieß es dort am Samstag bedröppelt und dann wörtlich: „Bild sprach zuerst mit dem ‚Toten‘ “. Ja, wirklich! Man sieht die Bild-Autoren „D. Jurko und P. May“ vor sich, wie sie sich wegschmeißen vor Lachen, als er ihnen einfällt, der Satz, wie sie ihn für selbstironisch halten und sich nicht verkneifen können, ihn hinzuschreiben. Wenn Sie das witzisch finden, bitte schön … Wir allerdings bedauern dies!