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Archiv-Artikel

cdu: jetzt helfen nur noch küchenpsychologen Totalitäres Beziehungsgehabe

Kommentar von Henning Bleyl

Fast muss man annehmen, die 12 Jahre große Koalition seien – entgegen allem Anschein – doch eine Liebesehe gewesen. Denn wie sich die CDU derzeit aufführt, kann nur als Amoklauf einer verschmähten Braut interpretiert werden. Welche rationalen Gründe hätten die Christdemokraten, vor der Zeit und mit großem Türengeklapper den hanseatischen Hochzeitsmarkt fluchtartig zu verlassen? Keine.

Stattdessen offenbart sich die Topographie einer dramatischen Gefühlsachterbahn. Beim ersten Anbahnungsgespräch hatte sich die CDU mit überraschender Hemmungslosigkeit an die nicht mehr ganz so breite Brust der SPD geworfen – und sogar auf die zuvor so gern zitierten 100 Polizisten als Morgengabe verzichtet. Die Sozialdemokraten freilich – Kavaliere alter Schule waren sie noch nie – fragten ungeniert nach der erwartbaren Halbwertszeit sowohl von Treue als auch Selbstgenügsamkeit der Braut. Das war die erste Kränkung. Als dann nicht nur der eheliche Sofortvollzug ausblieb, sondern auch die grünen Nebenbuhler sozialdemokratische Streicheleinheiten genossen, musste aus CDU-Sicht das Maß voll sein. Das Emotionale, wohlgemerkt.

Sicher: Mit viel gutem Willen kann man den christdemokratischen Zickzack-Sprung ins Off auch als ausgeklügelten Doppelzug interpretieren. Erst kuscheln, dann die Pistole auf die Brust: Wenn du jetzt gehst, dann ist es für immer. Derart verlassen zu werden muss doch Sympathien wecken? Vielleicht. Vor allem aber erwirbt sich die CDU mit ihrem totalitären Beziehungsgehabe einen Ruf als unberechenbare Partnerin.

CDU-Chef Bernd Neumann ist für solche Zickereien eigentlich zu alt. Was im Umkehrschluss bedeutet: Den Kurs seiner Partei kann er offenbar nicht mehr im Alleingang bestimmen.

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