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Archiv-Artikel

cdu-drohkulisse Integration der Patrioten

Natürlich kann noch Unvorhersehbares passieren. Die CDU kann in NRW zum Beispiel ein Wahldebakel erleben. Dann, aber nur dann würden die Karten neu verteilt. Läuft alles, wie sich die CDU es wünscht, kann man schon heute die Frontverläufe des Wahlkampfs 2006 erkennen.

KOMMENTARVON STEFAN REINECKE

Rot-Grün hat mäßige Zahlen, keine nennenswerten politischen Leidenschaft mehr, dafür Routine und eine auf Hartz-IV-Kurs getrimmte und auf weiteres Leid gefasste SPD-Basis. Die Union ist interessanter, schillernder, auch gefährdeter. Dies ist nicht mehr die Union von 1998 oder 2002 – sie ist sowohl deutlicher als auch unsicherer in ihrem Selbstbild. Das ist vor allem das Werk von Angela Merkel. Mit der Kopfpauschale hat sie den Sozialstaatsflügel der Union beerdigt und Blüm und Geißler endgültig zu historischen Figuren gemacht. Und die Union hat den Systemwechsel akzeptiert. Das hat Merkel geschafft, obwohl sie von außen kommt und die erste CDU-Chefin ohne Hausmacht ist.

In der Merkel-CDU ist nun viel von Freiheit die Rede, nicht mehr von Gleichheit. Das ist ein riskanter Kurs. Er funktioniert nur, wenn die Mehrheit wirklich glaubt, dass weniger Kündigungsschutz mehr Jobs bringt. Sonst übersetzen die Wähler Merkels Freiheit korrekt: mit mehr Unsicherheit.

Da es gefährlich ist, den moderaten rot-grünen Neoliberalismus aggressiv zu überholen, versucht die CDU ein Netz einzuziehen: die Patriotismus-Debatte. Über diese Debatte kann man bislang wenig sagen. Außer – dass sie keine klare Richtung hat, aber viele Möglichkeiten öffnet. So ist in der Merkel-CDU viel von den nötigen Integrationsleistungen der Ausländer die Rede, aber nicht davon, dass im Gegenzug die deutsche Mehrheit offener, sozial durchlässiger für Migranten werden muss. Das ist falsch, aber für die Konservativen nichts Neues.

Bedenklich indes ist die Aussicht, dass die Union, falls Gesundheitsreform und das marktliberale Freiheitspathos nicht anschlagen, auf ein bewährtes Hausmittel zurückgreifen könnte: das Ressentiment. Die Heitmeyer-Studie hat kürzlich gezeigt, dass auch im Bürgertum antimuslimische Vorurteile wachsen. Wäre es sehr verwunderlich, wenn die Merkel-Union auf Patriotismus aus Ratlosigkeit das Ressentiment aus Ratlosigkeit folgen ließe?

Mit dem Patriotismus und dem EU-Beitritt der Türkei hat die Union nun zwei Themen in petto – für alle Fälle. Die Drohkulisse steht schon mal.