bvg gegen touri-werber : Willkommen in der Stadt des Wahns
Die gute Nachricht für Touristen: Nur wer schon einmal die Berliner U-Bahn genutzt hat, weiß, was Abenteuerurlaub ist. Am Infoschalter radebrechen des Englischen unkundige Beamte, dafür motzt der Busfahrer uff Balinerisch. Wilde Kontrolleure laufen leinenlos, und der Ersatzverkehr verkehrt so häufig, dass er diesen Namen eigentlich nicht verdient. Die noch bessere Nachricht: Das alles kann man jetzt mit zwei Angeboten buchen.
KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
Im Ernst: Zwar ist es gute marktwirtschaftliche Tradition, ein und dasselbe Produkt unter hanebüchenen Anglizismen anzubieten. Wenn sich aber zwei Unternehmen Konkurrenz machen, an denen das Land maßgeblich beteiligt ist, ist das schlicht hirnrissig. Zumal zu befürchten ist, dass die BVG die Erlöse zumindest teilweise an einen privaten Anbieter weiterreicht – denn der verkauft das neue Ticket.
Verdenken kann man es der BVG nicht, dass sie die „Welcome Card“ der Tourismuswerber in Form einer „City Tour Card“ kopiert. Erstere ist ein Erfolgsmodell, durch das sich etwas von dem riesigen Schuldenberg abtragen ließe, mit dem die Verkehrsbetriebe kämpfen. Aber dass sich der Monopolist, der Touristen im öffentlichen Auftrag durch die Stadt kutschiert, dabei nicht mit dem zentralen Berlin-Vermarkter abspricht, zeugt von zweierlei: einiger wirtschaftlicher Verzweiflung und planloser Dreistigkeit. Nach dem Motto: Was einmal da ist, bleibt.
Die Chance, sich sinnvoll zu ergänzen, ist erst mal verschenkt. Und bei den Touristen herrscht künftig noch mehr Verwirrung: zwei Angebote, zwei Namen, zwei Vertriebswege. Es wird nicht lange dauern, bis die ersten von Kontrollettis aufgebracht werden, weil sie im Reiseführer über das eine Ticket gelesen, aber das andere gekauft haben. Willkommen in Berlin.