bundestagswahl 2025: Albtraum für die Umwelt
Die Union will Fortschritte in der Agrarpolitik zurückdrehen. Die Natur würde leiden und langfristig auch die Bauern. Aber es gibt auch progressive Ansätze
Das Kapitel zur Landwirtschaft im Wahlprogramm der Union liest sich wie eine Wunschliste von Bauernverband und Industrie. Und es ist ein Albtraum für Umweltschützer. Langfristig wird das Programm von CDU und CSU für die Bundestagswahl auch den Bauern eher schaden als nützen.
In diesem Kapitel steht viel auf dem Spiel: Die deutsche Landwirtschaft erzeugt die meisten Lebensmittel für den hiesigen Verbrauch. Die Branche ist aber auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Sie verursachte 2022 inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Viele Tiere werden unter Bedingungen gehalten, die die meisten Deutschen kritisieren. Und doch wollen CDU und CSU die Landwirtschaft möglichst so weitermachen lassen wie in ihrer letzten Regierungszeit. Dafür würden sie auch den ein oder anderen ohnehin kleinen Fortschritt der Ampel-Jahre wieder zurückdrehen.
„Wir führen die Agrardieselrückvergütung wieder vollständig ein“, heißt es im Programm. Das war die prominenteste Forderung der Bauernproteste im letzten Winter. Die Landwirte wollen auch weiterhin rund 450 Millionen Euro jährlich an Energiesteuer auf den Diesel für Traktoren und andere Landmaschinen erstattet bekommen. Dabei erhält die Branche mit nur rund 1 Prozent der Erwerbstätigen ohnehin schon überproportional großzügige Subventionen. Einen fossilen Kraftstoff zu subventionieren, ist mit Blick auf den Klimaschutz völlig falsch. Der Anreiz, treibhausgasintensiven Sprit einzusparen, fiele weg. Für Klima und Natur wären aber zum Beispiel mehr Traktoren mit Anlagen sinnvoll, die den Reifendruck so regeln, dass der Verbrauch sinkt. Auch Elektromotoren für kleinere Maschinen würden ohne Dieselsubventionen deutlich wettbewerbsfähiger.
Jost Maurin
ist taz-Redakteur und schreibt vor allem über Agrarpolitik. 2022 nominiert für den Reporter:innen-Preis, mehrmals gewann er den Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. Früher Redakteur der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär der Süddeutschen Zeitung.
Schlecht fürs Klima ist zudem, dass die Union „gegen eine Reduktion“ der Tierzahlen ist und sich nicht zum Ziel bekennt, den Fleischverzehr zu senken. Sie ignoriert, dass die Viehhaltung der größte Verursacher von Treibhausgasen und anderen Umweltbelastungen innerhalb der Landwirtschaft ist. Zu dieser Realitätsverweigerung passt, dass CDU und CSU die Stoffstrombilanz im Düngerecht abschaffen wollen, mit der die Menge von Pflanzennährstoffen wie Stickstoff berechnet wird, die die Höfe in die Umwelt abgeben. Zu hohe Mengen könnten nach entsprechenden Gesetzesänderungen sanktioniert werden. Es ist klar, dass zu viel Pflanzennährstoff schädlich für Klima, Grundwasser und Artenvielfalt ist. Der für Nitrat festgelegte Grenzwert im Grundwasser wurde in den vergangenen Jahren vielerorts überschritten. Der Bauernverband argumentiert, dass eine solche Bilanz zu aufwendig wäre. In Wirklichkeit kostet die Rechnung die Betriebe dem Nationalen Normenkontrollrat zufolge nur 4,8 bis 5,3 Stunden pro Jahr.
Die jährlich mehr als 6,3 Milliarden Euro Agrarsubventionen der EU für Deutschland sollen die Landwirte nach dem Willen der Union für noch weniger Gegenleistung als bisher einstreichen können. Sie gibt als Ziel vor, „die Gemeinsame Agrarpolitik für die Bäuerinnen und Bauern im Sinne von Bürokratieabbau, Transparenz und Effizienz massiv zu vereinfachen“. Unter „Bürokratie“ verstehen viele Bauernverbände zum Beispiel Vorschriften für größere Fruchtfolgen, also für mehr Artenvielfalt auf dem Acker. Die Union will sich auch „neuen EU-Pflichten“ entgegenstellen. Das könnten beispielsweise Vorschriften für mehr Tier- und Umweltschutz sein. Stattdessen möchten die Christdemokraten die Zulassung von Pestiziden erleichtern, obwohl schon die jetzigen Zulassungsregeln so lax sind, dass immer wieder auch gesundheitsschädliche Mittel jahrelang erlaubt werden, bis sie unter der Last neuer Studien viel später dann doch verboten werden.
Die Landwirte werden unter diesen Prämissen zwar kurzfristig Produktionskosten einsparen. Langfristig wird die Erderwärmung aber gerade den Landwirten schaden, denn sie sind besonders abhängig vom Wetter. Fatal ist, dass die Union sich auch kaum Gedanken darüber macht, wie sich die Landwirtschaft auf das neue Klima einstellen kann. Dazu wäre zum Beispiel mehr Vielfalt auf dem Acker hilfreich, um das Risiko von Ernteausfällen weiter zu streuen. Ohne die Stoffstrombilanz wird es schwer, die EU-Kommission davon zu überzeugen, dass Deutschland die sehr pauschalen Regeln gegen Überdüngung in besonders betroffenen Gebieten zugunsten von Höfen ändern darf, die nicht überdüngen.
Allerdings enthält das Wahlprogramm auch positive Ansätze: Es spricht sich nicht gegen die von der Ampel beschlossene verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsbedingungen für Schweinefleisch aus. Mit ihr sollen Verbraucher Produkte aus artgerechteren Ställen besser erkennen können. Die Union unterstützt den Plan, die obligatorische Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln auszuweiten. „Wir sorgen für eine verlässliche Finanzierung tierwohlgerechter Ställe und schaffen genehmigungsrechtliche Hürden ab“, heißt es. CDU und CSU wollen „Moore schützen und wiedervernässen“, was große Mengen Treibhausgase einsparen könnte. Die Union fordert nicht klar, die Kennzeichnungspflicht und Sicherheitstests von gentechnisch veränderten Pflanzen zu kippen. Diese Technik wird vor allem dazu genutzt, eine umweltschädliche Landwirtschaft mit wenig Vielfalt zu erleichtern. All das sind sinnvolle Punkte, bei denen sogar der mögliche Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen mitgehen könnte. Die Forderung der Union, Ernährungssicherung als Ziel ins Grundgesetz aufzunehmen, könnten die Grünen als Symbolpolitik tolerieren.
Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut dahin, wo es brennt.
Insgesamt gilt aber: Wer CDU oder CSU wählt, entscheidet sich in Sachen Landwirtschaft vor allem für ein „Weiter so wie unter Bundeskanzlerin Angela Merkel“. Das ist angesichts von Klimakrise und Artensterben unverantwortlich.
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