bundespräsident : Hickhack statt politischer Debatte
Das Geschacher um den nächsten Bundespräsidenten nähert sich seinem Ende – glücklicherweise. Wenn irgendwann diese Woche endlich klar ist, wer ins Schloss Bellevue einziehen wird, müssen sich die Parteipolitiker wieder den Inhalten widmen, statt ständig neue Wasserstandsmeldungen zu einem Personalproblem zu produzieren. Das ist aber auch schon das einzig Erfreuliche am Verlauf des Präsidentschaftspokers.
KOMMENTARVON LUKAS WALLRAFF
Sosehr man sich über das Hickhack zwischen Union und FDP amüsieren könnte – Schadenfreude ist verfehlt. Dafür war die monatelange Debatte viel zu sehr von machttaktischen Überlegungen geprägt und viel zu wenig von der Qualität der Anwärter. Erwogen wird bis heute nicht ernsthaft, welche Personen für das höchste Staatsamt geeignet sind, sondern wessen Kandidatur wem schaden könnte.
Am unterirdischen Niveau der Kandidatensuche tragen keineswegs nur Union und FDP Schuld. Rot-Grün beschränkte sich auf Sticheleien und setzte darauf, dass die Opposition sich möglichst lang zerfleischen möge. Diese Abwartetaktik der Regierung geht derzeit auf: Union und FDP offenbaren eine derart groteske Unfähigkeit zum Konsens, dass ihr Anspruch auf Übernahme der Regierung fast lächerlich wirkt. Was könnte Rot-Grün also mehr wollen? Nun, vielleicht einen guten Bundespräsidenten? Das allerdings scheint auch für die Koalition nur ein Randaspekt zu sein.
Dabei wären gegen einen Präsidenten Schäuble viele gute, politische Argumente ins Feld zu führen. Er hat im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre das Parlament belogen. Er hat die ausländerfeindliche Unterschriftenaktion der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als „Dienst für den inneren Frieden im Land“ bezeichnet. Und er ist für den Bundeswehreinsatz im Inland. Deshalb haben sich die CDU-Hardliner Roland Koch und Friedrich Merz für Schäuble ausgesprochen. Sie setzen auf seine Fähigkeit, durch kluge Reden den politischen Diskurs zu prägen – in ihre, rechte Richtung.
Und was tun die rot-grünen Strategen dagegen? Um den Kandidaten zu beschädigen, hofften sie auf neue Enthüllungen von Ex-CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister – vergeblich. Gestern fiel dem SPD-Politiker Michael Müller nur noch ein, Schäuble sei ein „verbiesterter und selbstgerechter Mann“. Na bravo. Persönliche Angriffe, weiß man, helfen dem Gegner. Falls Schäuble doch noch gewinnt, darf er sich auch bei Rot-Grün bedanken.